Teuflische Schwester
ein. Ihre Stimme bebte vor Verachtung.
»Schau sie dir doch nur an! Sie hat mindestens zehn Kilo
Übergewicht. Und wie ungepflegt sie aussieht! Die Haare
hängen ihr immer in Strähnen herunter. Wäscht sie sie
denn nie? Und sie ist ein entsetzlicher Tolpatsch. Sie kann
nicht richtig schwimmen, und vom Tennisspielen hat sie
überhaupt keine Ahnung. Jeder hier hält sie für ein
bißchen verrückt.«
»Und ihre Mutter erst!« stöhnte Cyndi Miller.
Teri wurde auf der Stelle hellhörig. »Ihre Mutter? Was
soll denn mit Phyllis sein?«
Cyndi zog die Augenbrauen wie eine Erwachsene hoch.
»Na ja, an und für sich ist sie normal«, erklärte sie ganz im
Tonfall ihrer Mutter. »Auf ihre Weise wenigstens. Sie war
nie eine von uns und wird nie zu uns gehören.«
»Du meinst, weil sie hier nicht aufgewachsen ist?« fragte
Teri. Sie war sich fast sicher, daß sie genau verstand, was
Cyndi meinte.
»Sie ist nirgendwo aufgewachsen«, entgegnete Ellen
Stevens. »Meine Mutter hat gesagt, daß kein Mensch
weiß, woher sie kommt oder wo ihre Familie lebt.« Dann
senkte sie die Stimme, wie es ihre Mutter immer tat, wenn
sie etwas besonders Boshaftes zu sagen hatte.
»Und ständig versucht sie sich aufzudrängen, gerade so,
als wäre sie eine von uns!«
Teri sprang auf die Füße. Ihr Verstand arbeitete
fieberhaft. Sie mußte erst einmal alles richtig einordnen,
was sie soeben gehört hatte. »Ich … ich muß jetzt gehen«,
sagte sie. Sie hatte schon den Weg zum Haus der
Holloways eingeschlagen, als sie sich umdrehte, weil Brett
ihr etwas nachrief:
»Komm doch heute nachmittag in den Club. Wir wollen
Tennis spielen.«
Teri zögerte eine Sekunde. »Mal sehen«, erwiderte sie
achselzuckend. Dann wandte sie sich endgültig ab und
eilte weiter den Strand entlang.
Wenig später sah sie Melissa im Sand sitzen und auf das
Meer hinausschauen. Neben ihr saß Blackie. Der Hund
knurrte, als Teri näher kam. Melissa sah auf, sagte aber
nichts. Dann wich ihr Blick hastig auf das Meer aus.
»Bist du mir böse?« fragte Teri.
Melissa schüttelte den Kopf.
Teri ließ nicht locker. »Klar bist du mir böse. Du bist
sauer, weil ich mit den anderen gesprochen habe.«
Melissa zog die Schultern hoch, stritt es aber nicht mehr
ab.
Teri ließ sich neben ihr nieder. »Sie sind gar nicht so
schlimm«, meinte sie. »Sie sind nur ein bißchen
eingebildet. Aber schau dir nur an, wie sie leben. Sie sind
alle stinkreich.« In ihrem Tonfall lag eine Spur von Neid.
Melissa sah auf.
»Dich werden sie wahrscheinlich mögen«, sagte sie. Ihre
Stimme spiegelte ihre ganze Qual wider. »Ich meine, du
bist so hübsch und siehst aus wie sie. Du wirst dich
blendend mit ihnen verstehen.«
Jetzt zog Teri die Schultern hoch. »Ich weiß nicht«,
seufzte sie, »aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß es
hier nur darauf ankommt, von wo man kommt und mit
wem man immer zusammen war. Und ich komme nun mal
aus Kalifornien.«
Melissa brachte ein Lächeln zuwege. »Das stimmt nicht.
Du bist hier auf die Welt gekommen. Deine Eltern
genauso. Darum bist du eine von ihnen.«
Teri sah sie erstaunt an. »Aber du doch auch, oder?«
Melissa schüttelte den Kopf. Dann holte sie tief Luft, als
habe sie sich dazu durchgerungen, etwas zu sagen, das sie
lieber für sich behalten hätte.
»Was ist?« drängte Teri.
»Es ist wegen Mom!« sagte Melissa. »Keiner mag sie.
Sie versucht alles mögliche, aber sie gehen ihr aus dem
Weg. Hinter ihrem Rücken lachen sie nur ständig über sie,
so wie sie über mich lachen.«
»Das muß aber nicht so bleiben«, meinte Teri. »Wetten,
daß sie damit aufhören, wenn du dir nichts mehr anmerken
läßt. Tu einfach so, als würdest du nichts hören. Ich habe
vorhin ja auch nur so getan, als wäre ich am Ertrinken
gewesen.«
Melissa blieb die Luft weg. »Du hast nur so getan?«
Ein wissendes Lächeln spielte um Teris Mundwinkel.
»Aber sicher. Ich schwimme wie ein Fisch. Aber wenn
man einen Jungen kennenlernen will, braucht man einen
Anlaß. Also habe ich dafür gesorgt, daß Brett Van Arsdale
mir das Leben retten mußte.«
Melissa bekam den Mund nicht mehr zu. »Aber … das
ist ja das gleiche wie Lügen!«
»Ja und? Ich wollte ihn kennenlernen – und das ist mir
gelungen. Der Zweck heiligt die Mittel.«
Melissa gab keine Antwort, sondern legte sich auf den
Rücken. Während sie sich das Gesicht von der Sonne
streicheln ließ, gingen ihr unaufhörlich Teris letzte Worte
im Kopf herum.
»Der Zweck heiligt die
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