Teuflische Schwester
Fernseher. Wenn sie
durch die Vordertür eintrat, würde Phyllis sie hören, und
dann gäbe es wieder ein Verhör.
»Warum kommst du so früh heim?«
»Warum ist Teri nicht mitgekommen?«
»Ist die Party schon vorbei?«
Sie blickte zum Strand. Die Flammen schlugen wieder
höher. Jemand mußte Holz hineingeworfen haben. Sogar
von hier aus konnte man die Silhouetten der anderen
sehen. Sie grillten jetzt Maiskolben.
Ihre Mutter würde sie natürlich auch sehen und noch
unangenehmere Fragen stellen.
»Was hast du angestellt?«
»Warst du wieder patzig zu deinen Freunden?«
»Was für eine Dummheit war es diesmal?«
»Raus mit der Sprache!«
Sie wich in den schützenden Schatten zurück und lief um
das Haus herum zum Hintereingang. Dort war es dunkel,
und die Anspannung ließ nach. Vielleicht konnte sie sich
durch die Küchentür ins Haus schleichen, ohne daß ihre
Mutter etwas hörte.
In diesem Augenblick sprang aus dem Dunkel ein
riesiger Schatten auf sie zu. Mit heftig wedelndem
Schwanz stellte sich Blackie vor ihr auf die Hinterpfoten
und leckte ihr freudig das Gesicht ab.
»Blackie!« rief Melissa so gedämpft sie konnte. »Platz!«
Gehorsam setzte sich der Hund. Melissa kniete sich
neben ihn und kraulte ihn hinter den Ohren. Voller
Hingabe leckte er an ihrem Arm.
»Jetzt ist es aber gut«, flüsterte sie und erhob sich. Mit
einem ängstlichen Blick vergewisserte sie sich, daß
drinnen keine weiteren Lichter angegangen waren. »Jetzt
lauf heim. Hörst du? Lauf heim!«
Sie stieg die Treppen zur Hintertür hinauf. Der Hund
zögerte einen Moment, dann tapste er hinterher.
»Nein!« zischelte sie. »Du kannst nicht mit rein!«
Hinter einem Tontopf tastete sie nach dem Schlüssel.
Cora versteckte ihn immer dort, wenn sie heimging.
Endlich hatte sie ihn gefunden und steckte ihn ins
Schlüsselloch.
Drinnen klickte es laut. Der Riegel war also
zurückgesprungen. Melissa erstarrte. Da sich aber keine
Schritte näherten, legte sie den Schlüssel in sein Versteck
zurück und schlüpfte hinein.
Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugemacht, kratzte
Blackie auch schon daran. Aus seiner Kehle stieg ein
enttäuschtes Winseln – und schwoll an. Melissa schickte
ein Stoßgebet zum Himmel, daß er nicht auch noch
losbellte. Sie lauschte mit angehaltenem Atem. Blackie
gab ein kurzes scharfes Jaulen von sich.
Melissa riß die Tür auf. Unverzüglich kam der Hund
freudig hereingeschossen. »Okay«, flüsterte Melissa. »Du
darfst rein, aber du mußt ganz still sein. Und später mußt
du wieder raus.«
Mit schief gelegtem Kopf sah der große Rüde zu ihr auf,
als hätte er jedes Wort verstanden.
Sie packte ihn fest an seinem dicken Lederhalsband und
schleifte ihn durch die Küche zum selten benutzten
Dienstbotenaufgang. Leise öffnete sie die Tür zum
Treppenhaus. Hoffentlich knarrte auch keine Stufe.
Am Treppenabsatz hielt sie noch einmal inne und spähte
nach unten. Sie hatte schon wieder Angst, ihre Mutter
würde bedrohlich vor ihr auftauchen und sie wütend
anstarren, aber die Vorhalle war leer, und aus der
Bibliothek drangen nur gedämpfte Musikfetzen vom
Fernseher herauf. Gleich darauf waren sie in ihrem
Zimmer und in Sicherheit. Endlich konnte sie den Hund
loslassen, der sofort auf ihr Bett sprang und es sich auf
dem Kissen bequem machte. Vorwurfsvoll sah sie Blackie
an. »Reicht es denn nicht, daß du dir Eintritt verschafft
hast? Wenn du mir auch noch das Bett schmutzig machst,
kriegt Mama einen Tobsuchtsanfall.«
Blackies Schwanz pochte erwartungsfroh gegen die
Wand, und er machte keinerlei Anstalten, das Bett zu
verlassen. Er legte sich vielmehr auf den Rücken, streckte
alle vier in die Höhe und sah sie treu an. Sie sollte ihn am
Bauch streicheln.
Melissa spielte die Entrüstete. Mit einem übertriebenen
Seufzer ließ sie sich auf das Bett plumpsen und fing dann
doch an, Blackie den Bauch zu streicheln. Im nächsten
Augenblick drang Todds Stimme durch die offenen
Fenster.
»Blackie! Blackie! Komm her!«
Blitzschnell sprang der Hund aus dem Bett und rannte
zum Fenster. Als Todd wieder nach ihm rief, stellte er sich
auf die Hinterpfoten und bellte laut.
Melissa versuchte, ihm von hinten die Schnauze
zuzuhalten. »Nein!« rief sie scharf, doch der Hund befreite
sich und bellte weiter, während Todd unaufhörlich nach
ihm rief.
»Todd!« rief Melissa so laut sie wagte. »Er ist hier oben.
Ruf nicht mehr nach ihm!«
In diesem Augenblick hörte sie die Stimme ihrer Mutter
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