Teuflische Schwester
ganzen Körper. Da bot sich
ihr eine fantastische Gelegenheit! Nervös leckte sie sich
die Unterlippe, als widerstrebe es ihr, etwas zu verraten.
Schließlich schüttelte sie aber nur den Kopf. »Es … es war
eine Gespenstergeschichte. Brett hat uns von D’Arcy
erzählt, und Melissa hat sie wohl für bare Münze
genommen.«
Phyllis stöhnte laut auf. »Willst du mir etwa sagen,
Melissa ist wegen so einer dummen Geistergeschichte
weggelaufen?«
Teri zuckte hilflos mit der Schulter. »Na ja, man konnte
auch ganz schön Angst dabei bekommen. Und keiner hat
es ihr übelgenommen.« Sie senkte gekonnt den Blick.
»Aber ich hätte wahrscheinlich mit ihr mitgehen müssen,
damit ihr nichts zustößt.«
»Sei doch nicht kindisch!« versetzte Phyllis. Sie kochte
innerlich noch immer vor Wut über Melissa. »Wenn
Melissa überhaupt je etwas begreift, dann nur, wenn sie
ein Vorbild hat!« Sie schenkte Teri ein entzücktes
Lächeln.
»Und ein besseres als dich kann ich mir gar nicht
vorstellen. Außerdem sehe ich nicht ein, warum du dir
einen schönen Abend von ihr verderben lassen solltest.«
Teri sah Phyllis bange an. »Dann bist du mir nicht
böse?«
»Warum sollte ich dir böse sein? So ein Unsinn. Dir
könnte ich nie böse sein.« Sie drückte Teri die Hand und
hielt ihr die Wange entgegen. »Jetzt gib mir noch einen
Kuß, und dann ins Bett.«
Zwei Minuten später stand Teri im Bad und preßte das
Ohr gegen die Tür zu Melissas Zimmer. Kein Laut war zu
hören. Sie machte die Tür auf und huschte zu Melissas
Bett.
Melissa lag wieder auf dem Rücken. Aus weit
aufgerissenen ausdruckslosen Augen starrte sie zur Decke.
Minutenlang blieb Teri still stehen. Dann flüsterte sie mit
fast unhörbarer Stimme:
»Melissa?«
Keine Reaktion.
Sie versuchte es noch einmal. Wieder keine Antwort.
Teri zog das Laken beiseite. An den Handgelenken,
Schenkeln und Knöcheln war Melissa fest an das Bett
geschnallt.
Teri zögerte. Dann kam ihr eine Idee.
»D’Arcy?«
Melissas Augen wanderten langsam von der Decke zu
Teri.
»D’Arcy? Hörst du mich?«
Einen Moment herrschte Schweigen. Dann bewegten
sich Melissas Lippen. »Ja, ich höre dich.«
Teri lief es kalt über den Rücken. Sie erkannte zwar
Melissas Stimme, aber irgendwie klang sie ganz anders.
Etwas Tonloses, Flaches lag darin.
Unwillkürlich dachte Teri an eine Tote, die plötzlich zu
sprechen anfing.
»Weißt du, wer ich bin?«
Melissas Kopf bewegte sich. Wieder meldete sich
D’Arcys Grabesstimme. »Du bist Teri. Melissa hat mir
von dir erzählt.«
»Wirklich?« Teri konnte die Erregung kaum verbergen.
»Was hat sie denn gesagt?«
Melissa lächelte schwach. »Daß sie dich sehr gern mag.«
Teris Anspannung ließ nach. »Willst du mir nicht sagen,
wer du bist?«
Schweigen. Dann kam die Antwort: »Melissas
Freundin.«
»Wo wohnst du?«
»Oben.«
Teri blickte zur Decke. Ihr Herz klopfte schneller.
»Warum bist du dann hier?«
»Weil Melissa mich gebraucht hat.«
»Warum denn?«
»Um sie vor ihrer Mutter zu schützen. Wenn ihre Mutter
böse wird, komme ich und schütze sie.«
Teri überlegte sich die nächste Frage genau, ehe sie sie
stellte. »Aber was geschieht dann mit Melissa? Was macht
sie?«
»Sie legt sich schlafen.«
»Und du? Möchtest du nicht auch schlafen?«
D’Arcy schüttelte stumm den Kopf. Dann antwortete sie:
»Ich kann nicht schlafen. Wenn Melissa gefesselt ist, muß
ich über sie wachen.«
Erneut dachte Teri scharf nach, ehe sie sich daran
machte, behutsam die Fesseln um Melissas Knöchel zu
lösen. Wenig später hatte sie auch die Arme und Schenkel
befreit. »Das war’s«, flüsterte sie. »Jetzt kannst du nach
oben gehen.«
Aber Melissa hatte die Augen schon geschlossen. Ihr
Atem ging ruhig und regelmäßig. Sie schlief. Um ihre
Lippen spielte ein Lächeln.
Teri zog das Bettlaken sachte über Melissa und schlüpfte
aus dem Zimmer. Melissa blieb allein im Dunkel zurück.
Allein und von den Fesseln erlöst …
12
Vom Lagerfeuer glühte nur noch die letzte Asche. Kalt
und feucht fuhr die Seebrise den letzten Feiernden in die
Knochen. Immer schneller trieben dichte Nebelschwaden
vom Meer heran. Ellen Steven fröstelte leicht. »Gehen wir
lieber heim«, meinte sie zu Cyndi Miller gewandt.
Ihr gegenüber saß Kent Fielding. In der schwachen Glut
war sein boshaftes Grinsen kaum wahrzunehmen.
»Angst?«
Cyndi schüttelte den Kopf. Als der Wind sich aber
schlagartig legte und der Nebel sich verdichtete, wurde ihr
doch mulmig
Weitere Kostenlose Bücher