Teuflische Schwester
das ganz anders«, erwiderte Brett listig.
»Der Cove Club ist vor genau hundert Jahren eröffnet
worden. Diesen August feiern wir beim Vollmondball das
hundertjährige Jubiläum.«
»Ach ja?« feixte Teri. »Was soll da passieren?«
Brett beugte sich vor. Noch einmal senkte er die Stimme.
»Sie kommt zurück, heißt es, um Rache zu üben.«
Teri sah verstohlen auf die anderen. Sie wußte nicht so
recht, ob sie die Geschichte für bare Münze nahmen.
»Und was hat sie vor?« fragte sie spitz. »Wie hieß sie
überhaupt?«
»D’Arcy«, antwortete Brett. »D’Arcy Malloy. Sie war
Küchenmädchen in eurem Haus.«
»D’Arcy?« wiederholte Teri. Sie wandte sich an
Melissa, die wie festgefroren dasaß und ins Feuer starrte.
»Aber das ist doch der Name deiner Freundin?«
Melissa riß den Kopf hoch. Aus weit aufgerissenen
Augen traf ihr verletzter Blick Teri. »Das wolltest du doch
niemandem sagen!« warf sie ihr mit zitternder Stimme
vor. Bevor Teri etwas erwidern konnte, war Melissa
aufgesprungen und rannte über den Strand davon. Im
nächsten Augenblick hatte die Nacht sie verschluckt.
Ellen Stevens sah Teri fragend an. »Was meinst du mit
ihrer Freundin?« wollte sie wissen.
Teri blieb zunächst stumm. Auf ihren Lippen spielte ein
leises Lächeln. »Melissa hat eine eingebildete Freundin«,
erklärte sie dann. »Gestern nacht hat sie es mir erzählt. Sie
heißt D’Arcy.«
11
Melissa stolperte den Strand entlang weiter. Ein
Schluchzen würgte sie in der Kehle, doch sie ließ es nicht
zum Ausbruch kommen. Als vom Lagerfeuer nur noch ein
glühender Fleck in der Ferne zu erkennen war, setzte sie
sich in den Sand und sah aufs Meer hinaus.
Im Grunde war es nichts Besonderes, hielt sie sich vor.
Was lag schon daran, wenn Teri den anderen von ihrer
Freundin erzählte? Wie dumm sie reagiert hatte! Hätte sie
nur eine Sekunde nachgedacht, sie hätte alles mit einem
Lachen abtun können. Bretts Geschichte hätte sogar noch
mehr Wirkung erzielt, weil keiner gewußt hätte, ob sie nun
wirklich mit einem Gespenst befreundet war. Zum Teil
stimmte es ja auch. D’Arcy war ihr seit dem sechsten
Lebensjahr im Kopf herumgegangen, als sie zum
erstenmal die Geschichte von D’Arcy Malloy gehört hatte.
Damals hatte sie sogleich im kleinen Zimmer unter dem
Dach nachgesehen, in dem D’Arcy gelebt haben mußte.
Je älter sie dann geworden war, desto mehr
Schwierigkeiten hatte ihr die Suche nach Freunden
bereitet. Weil die anderen Kinder sich nie um sie
kümmerten, hatte sie Gespräche mit D’Arcy angefangen
und sich eingebildet, daß D’Arcy auf sie einging.
Freilich war ihre Freundin nicht die echte D’Arcy
gewesen. Ihre Freundin war eine erfundene Person, die
genauso alt war wie sie.
Mit dieser Person konnte sie über alles reden, was sie
sonst niemandem sagte.
Aber weil sie so blöd gewesen war und weggerannt war,
würden sie jetzt alle für verrückt halten. Warum hatte sie
das nur getan? Warum hatte sie nicht einfach einen Witz
daraus gemacht? Vorhin, bei ihrem Endspiel mit Jerry
Chalmers, hatten ja auch sie und alle anderen Tränen
gelacht. Es war ja kein Witz über sie gewesen. Zum
erstenmal hatte sie einfach mit dazu gehört.
Aber jetzt hatte sie sich wieder einmal alles durch ihre
Dummheit verdorben.
Sie hätte die Geschichte nur weiterzuspinnen brauchen.
Sie hätte nur zu sagen brauchen, daß sie genau wüßte,
wen D’Arcy sich beim Vollmondball holen würde.
Dann kam ihr eine noch bessere Idee. Sie hätte ihnen
erzählen können, daß D’Arcy ihre Hand endlich gefunden
hatte und sie in der Nacht vor dem Ball auf das Bett ihres
Opfers legen würde.
Nachdem sie vorher noch mühsam ein Schluchzen
unterdrückt hatte, fing sie plötzlich zu kichern an. Mit
einem jähen Seufzen hielt sie inne.
Wenn die Kinder sie nun wieder auslachten, war es
allein ihre Schuld, nicht die von Teri. Und ändern ließ sich
das heute auch nicht mehr.
Als sie aufstand und den Heimweg antrat, wünschte sie
sich fast, D’Arcy gäbe es wirklich. Dann würde sie
nämlich …
Sie versuchte den Gedanken zu verscheuchen, aber in
Sichtweite des Hauses kicherte sie wieder vor sich hin.
Wie würden die anderen eigentlich reagieren, wenn sie
D’Arcy sähen?
Aber sie würden sie ja nicht zu Gesicht bekommen, weil
es keine D’Arcy gab, außer ihrer Freundin, und die lebte ja
nur in ihrer Fantasie.
Vor dem Haus blieb sie stehen. Im Wohnzimmer brannte
noch Licht. Ihre Mutter saß vor dem
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