Teuflische Schwester
den sanften Anstieg von der
Bucht zum Rasen vor dem Haus erklommen hatten, blieb
Phyllis abrupt stehen. Melissa und Todd lieferten sich
einen Ringkampf. Blackie sprang aufgeregt um sie herum
und versuchte mitzuspielen.
»Melissa!« schrie Phyllis. Die schrille Stimme ließ
Melissa sofort schuldbewußt aufspringen. »Wie oft habe
ich dir nicht gesagt, daß du für solche Kindereien zu alt
bist? Benimm dich gefälligst wie ein Teenager.«
Wutentbrannt stürmte sie auf sie zu, doch Blackie stellte
sich ihr böse knurrend entgegen.
Phyllis blieb jäh stehen. Erst blitzte sie den Hund an,
dann entlud sich ihr Zorn auf Todd. »Ich sage es dir zum
letztenmal, Todd. Wenn du den Hund nicht bändigen
kannst, kommt er weg!« Ihr Blick fiel auf die Grasflecken
auf Melissas Tennisdress. »Und was dich anbetrifft, mein
Fräulein, gehst du sofort auf dein Zimmer und wäschst
dich. Deine Sachen sind brandneu, aber es würde mich
sehr überraschen, wenn du sie nicht schon wieder ruiniert
hättest.«
Von einem Augenblick zum anderen war Melissas
Ausgelassenheit verschwunden wie Tau in der
Morgensonne. Sie floh ins Haus.
»Ganz toll, Phyllis«, meinte Charles mit belegter
Stimme, ehe er seiner jüngeren Tochter nacheilte. »Mach
nur so weiter – dann haben wir sie bald wieder bei Doktor
Andrews in Behandlung.«
14
Teri lag unruhig in ihrem Bett. Auf dem Schoß hatte sie
ein Buch liegen, aber den Versuch, sich darauf zu
konzentrieren, hatte sie längst aufgegeben. Statt dessen
ging ihr die Abreise ihres Vaters nach New York durch
den Kopf.
Schon wieder war sie nur still danebengestanden,
während er Melissa in die Arme geschlossen, ihr
Koseworte ins Ohr geflüstert und mit ihr Pläne für das
nächste Wochenende ausgeheckt hatte. Ganz zum Schluß
hatte er sie nach einem Blick auf die Uhr kurz umarmt.
»Paß für mich auf Melissa auf, ja?« hatte er sie gebeten.
Auf Melissa sollte sie aufpassen! Wer war sie denn? Ein
Babysitter vielleicht? Reichte es denn nicht, daß Melissa
ihnen allen mit ihrem Koller beim Tennis den Brunch
verdorben hatte. Aber natürlich hatte sie ihren Vater
honigsüß angelächelt. »Klar kümmere ich mich um sie«,
hatte sie ihm versprochen. »Sie wird dich gar nicht
vermissen. Vielleicht gebe ich ihr sogar Tennisstunden.«
Wie aufregend das wäre! Sie konnte sich schon auf dem
Tennisplatz hinter dem Swimmingpool sehen, wie sie
einen leichten Ball nach dem anderen hoch zu Melissa
hinüberspielte und sie in einem fort aufmunterte.
»Gut, Melissa! Das war schon viel besser!«
»Klasse getroffen, Melissa! Unerreichbar für mich!«
Allein bei der Vorstellung wurde ihr schlecht. Aber zur
Not wäre sie dazu bereit. Und dann würde sie es auch
schaffen.
Hauptsache, Melissa hielt sie weiter für ihre beste
Freundin.
Und wenn sie die Wahrheit herausfand, war es zu spät
für sie.
Viel zu spät.
Sie drehte sich um. Vom Liegen auf der harten Matratze
taten ihr die Hüften weh. Ein Bild von Melissa schoß ihr
in den Kopf. Sie lag im Nebenzimmer in ihrem großen,
weichen Bett.
Mein Zimmer, überlegte Teri. Sie hat mein Zimmer in
meinem Haus – und meinen Vater.
Aber nicht mehr lange!
Sie stand auf, zog den Bademantel an und hastete zum
Fenster. Vom Meer trieben dünne Nebelschwaden
gemächlich heran und legten sich um die Baumkronen, die
noch verschwommen zu erkennen waren. Es herrschte
eine unwirkliche, gespenstische Atmosphäre.
D’Arcy-Wetter, fiel es Teri ein. In einer Nacht wie
dieser trieben die Geister auf dem Strand am ehesten ihr
Unwesen.
Ein fast unhörbares Winseln schreckte sie aus ihren
Gedanken. Ihm folgte ein Kratzgeräusch.
Blackie.
Vielleicht sollte sie ihn hereinlassen. Sie könnte ihn in
Melissas Zimmer schmuggeln.
Und am Morgen …
Plötzlich arbeitete ihr Hirn fieberhaft. Ein anderer
Gedanke war ihr gekommen. Sie malte ihn sich plastisch
aus.
Es müßte klappen.
Sie ging zur Kommode, zog die oberste Schublade
heraus und tastete darin herum, bis ihre Hand sich um die
Perlenkette schloß, die ihr Vater ihr letztes Weihnachten
geschickt hatte. Das Gegenstück zu der, die sie in Melissas
Zimmer entdeckt hatte. Sie ließ sie in die Manteltasche
gleiten und huschte ins Badezimmer. Hinter Melissas Tür
war nichts zu hören.
Sie machte die Tür einen Spaltbreit auf und spähte
hinein.
Ja.
Das war hervorragend.
Phyllis hatte auf die Fesseln verzichtet. Melissa lag
zusammengerollt auf der Seite und schlummerte friedlich.
Ihr stetes Atmen war gut zu
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