Teuflische Schwester
zwei
Jahren gesagt hatte, als Melissa mit dem Schlafwandeln
angefangen hatte. Cora hatte das Mädchen damals im
Speicher oben entdeckt. Sie hatte sich an nichts erinnern
können, wie sie dorthin gelangt war. Weder er noch
Phyllis hatten sich zu helfen gewußt. So waren sie zum
Hausarzt geeilt, der sie unverzüglich an einen Psychiater
in Portland verwiesen hatte. Und dieser Andrews hatte
zwar auch keine Lösung gefunden, aber wenigstens hatte
er ihnen die schlimmsten Sorgen genommen.
Schlafwandeln sei eigentlich nichts Gefährliches, hatte
er erklärt und ihnen zur Abhilfe einen Gurt um einen Fuß
empfohlen. Wenn Melissa sich im Schlaf erhob, würde der
Ruck sie sofort wecken.
Der Rest hatte Charles Holloway selbst betroffen. »Sie
müssen an sich arbeiten, Mr. Holloway«, hatte ihm der
Psychiater geraten. »Jeder Vater neigt dazu, seine Tochter
zu verwöhnen. Da Sie Teri Ihrer Ex-Frau überlassen
haben, ist diese Tendenz bei Ihnen besonders stark
ausgeprägt. Aus Schuldgefühlen Teri gegenüber sehen Sie
Melissa zuviel nach.«
»Aber ich habe überhaupt keine Schuldgefühle«, hatte
Charles erwidert. »Ich habe Teri ihrer Mutter überlassen,
weil es das Beste für sie war. Sonst hätte ich sie weiß Gott
wie lange durch die Gerichte geschleift.«
»Das will ich auch gar nicht bestreiten«, hatte der
Doktor entgegnet. »Sie haben gewiß richtig gehandelt.
Aber Schuldgefühle sind nun mal nichts Rationales.
Unbewußt werfen Sie sich vor, nicht genügend für Teri
getan zu haben. Sie werden darauf achten müssen, daß Sie
diese Gefühle nicht bei Melissa kompensieren. Sonst
bringen Sie sowohl Melissa als auch Ihre Frau in eine
schwierige Position. Phyllis wird in die Rolle der nur
Strafenden gedrängt, und Melissa erhält von ihren Eltern
verschiedenartige Signale. Das verwirrt sie natürlich. Und
in dieser Verwirrung …« Der Psychiater hatte den Satz
nicht zu Ende gesprochen, doch Charles hatte verstanden.
Welche Probleme Melissa auch hatte, die Wurzel war in
ihm zu suchen.
Andrews hatte wohl recht, sagte er sich jetzt.
Trotzdem…
»Ich verstehe nur nicht, wie Bloßstellungen vor aller
Öffentlichkeit Melissa helfen sollen«, setzte Charles zu
seiner Verteidigung an. Zu mehr kam er nicht, denn
Phyllis schnitt ihm das Wort ab.
»Und ich verstehe nicht, was es bringen soll, hier vor
aller Öffentlichkeit unsere Schmutzwäsche zu waschen«,
konterte sie gereizt.
Charles musterte seine Frau mit einem kalten Blick. Als
er antwortete, hatte seine Stimme einen kategorischen
Tonfall, der ihr sagte, daß sie den Bogen überspannt hatte.
»Dann laß es gefälligst bleiben. Wenn du es nicht übers
Herz bringst, Melissa ein kleines bißchen Spaß zu gönnen
– egal wie ungeschickt sie sich anstellt –, solltest du in
Zukunft nicht mehr mit ihr Tennis spielen.«
Phyllis Gesichtsmuskeln spannten sich an, doch sie sagte
nichts mehr. In der nächsten halben Stunde blieben sie,
abgesehen von einem kurzen Gespräch mit Marty und
Paula Barnstable, stumm an ihrem Tisch sitzen und
nickten nur den Vorbeikommenden zu.
Miteinander sprachen sie kein Wort.
»Na, willst du heimgehen?« fragte Charles Teri,
nachdem sie gegen Brett verloren hatte und sich zu ihnen
setzte.
Teri zog die Augenbrauen fragend hoch. »Ich dachte,
wir würden zum Brunch bleiben?«
»Ich weiß, aber findest du nicht auch, daß wir uns lieber
um Melissa kümmern sollten?« entgegnete Charles mit
einem verständnisvollen Lächeln.
Fast unmerklich drehte Phyllis den Kopf ihrem Mann zu.
»Warum gehst du nicht allein?« schlug sie vor. »Teri und
ich können ja dableiben. Vielleicht bekommt Melissa auch
wieder Lust und kommt mit dir zurück.«
»Nein«, sagte Charles. Sein Stimmfall ließ keinen
Widerspruch mehr zu. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß
sie heute noch einmal hierhergehen würde. Und das kann
ich ihr auch nicht verdenken. Wenn du ausgetrunken
hast…« Statt weiterzureden, stellte er einen Scheck aus
und erhob sich.
Phyllis hatte schon einen wütenden Protest auf den
Lippen, überlegte es sich aber plötzlich anders. Mit einem
mühsamen Lächeln wandte sie sich an Teri. »Wenn dein
Vater sich etwas in den Kopf setzt, sollte man lieber nicht
mit ihm streiten.« Es gelang ihr nicht ganz, den Ehekrach
herunterzuspielen.
Ohne weiter auf seine Frau zu achten, schritt Charles
davon. Teri eilte ihm nach, und Phyllis, die innerlich vor
Wut kochte, ließ sich provozierend lange Zeit.
Als sie zehn Minuten später
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