Teuflische Stiche
Konnert mit seinen beiden Kollegen zusammen. Sie überlegten, wie sie weiter vorgehen sollten. Die Streifen hatten nichts Auffälliges beobachtet. Meldungen aus der Bevölkerung blieben aus. Der Rettungsdienst hatte auf Nachfrage nur von einer ganz normalen Nacht berichtet. Der Freiherr blieb verschwunden.
Sie konnten nichts tun. Nur hoffen. Dass etwas geschah, was eine neue Lage bringen und sie zum Handeln zwingen würde. Konnert sah sich um und erinnerte sich an die Vorwürfe der Staatsanwältin. Mein Zimmer hat wirklich eine Renovierung nötig. Und dann bekomme ich auch einen neuen Computer. Das können sie alles machen, wenn ich im Urlaub bin.
»Halb zwölf. Ich fahre nach Hause und versuche, ein paar Stunden zu schlafen.« Er steckte seine Pfeife zwischen die Zähne und begann, seinen Arbeitsplatz abzuräumen.
Venske zog sich in sein Büro zurück und Kilian legte sich auf die Notfallliege im Großraumbüro.
Auf dem Weg zu seinem Eigenheim ließ Konnert den Tag mit seinen Ereignissen zurück. Er dachte an Zahra. Aber zärtliche Gefühle wollten nicht aufkommen. Er spürte eher, dass da ein weiteres Problem auf ihn lauerte. Warum eigentlich liebt sie mich, einen alten Mann? Was sieht sie in mir? Ihren zukünftigen Ehemann? Oder den Vater, den sie nie hatte? Mit einem Wisch über die Augen versuchte er, die Gedanken zu vertreiben.
Es kamen neue. Bald würde seine Tochter bei ihm einziehen. Zukünftig würde er wieder leise ins Haus schleichen, um sie nicht zu wecken. Auch das schien ihm nicht mehr erstrebenswert. Es ist aber notwendig und richtig, sagte er sich und presste die Lippen aufeinander. So sehr er sich auch wünschte, dass ihre Ehe wieder in Ordnung käme, so wenig konnte er der Vorstellung etwas abgewinnen, mit seinem Schwiegersohn unter einem Dach zu wohnen. Irgendwie werden sich meine Befürchtungen und Vorurteile zum Guten wenden, sagte er sich.
Und wo er nun einmal dabei war, seine Familie zu bedenken, fiel ihm auch noch sein Sohn ein. Sonntag, nach dem Gottesdienst, muss Zeit für ihn sein, entschied er. Vielleicht lade ich mich einfach zum Mittagessen ein und plaudere ein bisschen Englisch mit Lasse. Der Gedanke heiterte ihn auf.
Er war schon auf der Alexanderstraße, als sein Handy vibrierte. Weil ihm so gut wie keine Autos entgegenkamen, fummelte er es am Sicherheitsgurt vorbei aus der Hosentasche und meldete sich.
Eine Frauenstimme fragte: »Herr Kommissar, wo sind Sie gerade?«
Er antwortete nicht, sondern überlegte, ob er die Stimme kannte. Die schöne Gertrud? Nein. Oder doch? Ein bisschen angetrunken oder müde oder verstellt?
»Sind Sie in Ihrem Auto?«
»Ja, ich fahre nach Hause.«
»Sie kennen die Bank auf dem Neuen Friedhof unterhalb der Verladerampe der Friedhofsgärtnerei. Kommen Sie dahin und warten Sie.«
Damit war das Gespräch beendet. Sein Display zeigte »Unbekannt« an.
Donnerstag, 4. April
Nur wenige dünne Regenwolken verdeckten ab und zu die Sterne und den abnehmenden Mond. Der leichte Westwind trug das gleichmäßige Rauschen der Autobahn herüber. Es störte die Friedhofsruhe kaum.
Konnert hatte Venske von dem Telefongespräch unterrichtet und ihn gebeten, ihn im Halbstundenrhythmus anzurufen. Mehr Absicherung wollte er nicht. Er fühlte sich anderweitig behütet und geborgen.
Durch das kleine Tor am Parkplatz betrat er den Friedhof mit einer Wolldecke unter dem linken Arm. Gemächlich schritt er die Front der Grabsteine entlang. Auf manchen flackerten Kerzen in roten Grablichtern und warfen Schatten auf die Gräber geliebter Menschen. Wieder einmal spürte er den Widerspruch. Ich ziehe mich so oft zu den Toten zurück, um über den Schutz des Lebens meiner Mitbürger nachzudenken.
Die Bank, auf der er warten sollte, gehörte nicht zu seinen Lieblingsplätzen. Wenn der Wind aus Norden kam, roch es hier nach Abfall und Fäulnis. Er faltete die Decke auseinander und legte sie sorgfältig über Rückenlehne und Sitzfläche. Dann zog er seinen Mantel enger um sich zusammen und nahm in der Mitte der Bank Platz. Kurz darauf erhellte sein Feuerzeug die Grabsteine vor ihm und die Büsche an der Seite. Mit einer Hand schirmte er die Pfeife vor dem leichten Wind ab, er zündete sie an und paffte. Der vergangene Tag zog an seinem inneren Auge vorbei.
Als er sich an den Anruf von Zahra erinnerte, entstand wieder dieses Gefühl, dass sie es ihm zu leicht machte. Die Beziehung entwickelte sich in den letzten Wochen so schnell, für ihn zu schnell. Lag es an ihrer
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