Teuflische Stiche
so, dass sein Gesicht beschienen wurde.
»Geiger? Was machen Sie denn hier?«
***
»Wo sind Sie jetzt?«, dröhnte es aus seinem Handy.
Pauschler konnte kaum ruhig bleiben. Es war lange her, dass ihn jemand so angeherrscht hatte. »Vor der Polizeiinspektion.«
»Wagen stehen lassen! Gehen Sie die Straße hoch. Auf dem Friedhof wartet man auf Sie.« Und wieder war das Telefonat beendet, ehe er etwas sagen oder fragen konnte.
»Hol mir die Lampe!«
Wachsmuth sprang aus dem Wagen und öffnete die Heckklappe. Mit einem Handscheinwerfer kam er zur Beifahrertür und öffnete sie. Pauschler stieg aus und kommandierte: »Warte hier. Ist dein Handy eingeschaltet?«
»Selbstverständlich, Herr Pauschler.«
»Wenn es selbstverständlich wäre, würde ich dich nicht fragen.«
Er ging so beherrscht wie möglich in Richtung Auferstehungskirche und bemühte sich um eine aufrechte Haltung. Ein entgegenkommendes Auto blendete auf. Das interessierte ihn nicht. Viel mehr spürte er, wie seine Selbstsicherheit in ein Gefühl von Furcht überging. Seine Wut verwandelte sich in wirre Gedanken um Misstrauen und Tod. Warum lasse ich mich herumschicken? Wer kann mich zwingen, hier weiterzugehen? Er blieb stehen. Leute kamen ihm in den Sinn, die vielleicht einen Grund hätten, ihm an den Kragen zu wollen. Von Eck gehörte dazu. Und Geiger.
Er schwankte, auch wegen des Alkohols im Blut. Bulken! Schon damals, als sich der Freiherr bei mir eingeschlichen hat, ist sie hinter dem hergewesen und hat sich von ihm ausnutzen lassen. Die tut bestimmt immer noch alles, was er will.
***
»Wen haben Sie denn erwartet?«, fragte Geiger.
»Sie nicht.«
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Konnert schlug die Decke auf und hängte sie sorgfältig über die Lehne. »Dann zieht es nicht so im Rücken.« Mit heftigem Saugen brachte er seinen Tabak zum Glühen.
Geiger setzte sich, drehte eine Zigarette und zündete sie an. Sie rauchten und schwiegen und sahen in die Dunkelheit der Nacht. Für einen Moment huschte ein starker Lichtstrahl über die Wand des Kirchturms. Dann war es wieder dunkel. Konnert war sich nicht sicher, ob der Mann neben ihm dieselbe Beobachtung gemacht hatte. Er hielt sich still. Ihm waren schweigende Zeitgenossen lieber als plappernde und aufgedrehte Dauerredner. Darum ließ er die Minuten verstreichen. Geiger würde schon noch reden, dann, wenn es für ihn richtig wäre.
Sein Handy vibrierte. Venske rief an.
»Ich habe Besuch. Gregor Geiger ist bei mir. Sonst alles friedlich und ruhig.«
***
Eine leichte Windböe ließ die Gießkannen an ihrem Ständer aneinanderschlagen. Der dumpfe Ton erschreckte Pauschler nicht. Er war nur enttäuscht. Niemand erwartete ihn auf dem Platz hinter der Kirche.
Er wartete.
Würde die Bulken ihn wieder anrufen und zu einem dritten Ort schicken? Für ihn stand fest, dass dieses Weibsstück am Telefon die schöne Gertrud sein musste. Ihm fiel sonst keine Frau ein, der er zutraute, ihn in die Nacht hinauszujagen.
Er leuchtete zum zweiten Mal hinauf zur Kirchturmuhr. Ein Uhr fünfunddreißig. Die Situation erschien ihm unwirklich. Als ein Auto auf dem Parkstreifen neben dem Friedhof anhielt, verließ er so schnell, wie es ihm möglich war, den Platz neben der Kirche und trat an den Bordstein. Drei Pkws parkten da. Aus keinem stiegen Leute.
Ein Taxi verlangsamte seine Fahrt. Er winkte es vorbei und schwankte an der Kirche vorüber zum anderen Friedhofseingang.
Auch dort erwartete ihn niemand.
Mit der linken Hand ertastete er in der linken Manteltasche das Kästchen. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Er versuchte sich einzureden, alles könne ja auch nur ein Scherz sein, und entschied, einmal die Hauptwege entlangzugehen. In einem Gebüsch würde er sich erleichtern und sich, wenn er niemanden antraf, einfach von Wachsmuth nach Hause fahren lassen. Fertig!
Er stand an einem Baum und urinierte, als er zwischen den Gräbern das Aufglühen einer Zigarette sah. Vorsichtig zog er den Reißverschluss hoch, als könne man das Ratschen meilenweit hören, knöpfte den Mantel ebenso behutsam zu und wartete, bis der rote Punkt wieder aufleuchtete. Das Gesicht konnte er nicht erkennen. Im Schatten von Büschen schlich er näher an den Raucher heran. Bei dessen nächstem Zug erkannte er den Mann. Ich wusste es! Geiger, dieser Schmarotzer! Aber hat er noch Zugriff auf Viren?
Pauschler überlegte, ob er sich nicht auf der Stelle einfach umdrehen und weggehen
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