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Teuflische Stiche

Teuflische Stiche

Titel: Teuflische Stiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Brüning
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Tagesaufenthalt für Wohnungslose in der Ehnernstraße saß die schöne Gertrud mit drei Frauen am Tisch. Sie rauchten. »Wenn schon keine Zigarette mehr nach dem Sex, dann wenigstens nach dem Essen«, frotzelte eine der Frauen. Beim Lachen zeigte sie ungeniert ihre schwärzlichen Zähne und Zahnlücken.
    »Du könntest Sex haben, so viel du willst, es müsste sich nur ein Zahnarzt in dich verlieben.«
    Die Angesprochene lachte mit offenem Mund. »Eher bekommst du wieder einen Job als Chefstewardess als mich ins Bett eines Zahnklempners.«
    »Auf den Behandlungsstuhl würde schon reichen«, gab die dritte Frau ihren Senf dazu.
    »Nur wenn du dich da vor mir quälen lässt.«
    Sie stellte die Teller zusammen, auf denen Reste vom Labskaus klebten und grinste. »Das passende Essen für uns zahnlose Weiber. Ein bisschen Fleisch mit Roter Bete, Gurke, Zwiebeln und Kartoffeln gekocht und alles schön durch den Fleischwolf gedreht. Als Baby kriegst du Brei, weil du noch keine Zähne hast und wenn du alt bist, kriegst du wieder Brei, weil du keine mehr hast. Das Leben ist ein Karussell. Es gibt nichts Neues unter der Sonne, hat einer mal gesagt.«
    »Wie philosophisch! Du solltest dich bei der Uni anmelden.«
    »Die Volkshochschule würde für dich schon reichen.«
    »Mal was anderes«, warf die schöne Gertrud dazwischen, »ich suche Sibelius. Habt ihr ihn in den letzten Tagen gesehen?«
    Keine der Frauen machte den Mund auf. Eine schob abrupt ihren Stuhl zur Seite und brachte die aufgestapelten Teller in die Küche. Die nächste folgte ihr mit dem Besteck. »Ich muss einen Lappen holen«, entschuldigte sich die dritte.
    Die schöne Gertrud drückte eine neue Zigarette in ihre Spitze und zündete sie an. Es kam nur eine Frau zurück. Das Tischabwischen gestaltete sich umständlich.
    »Und?«
    »Gertrud, du weißt doch, du kannst bei den beiden Scherze über ihre fehlenden Zähne machen, aber wenn du den Namen Sibelius fallen lässt, dann ist das so, als hättest du eine Handgranate abgezogen und unter den Tisch rollen lassen.«
    »Und?«
    »Außerdem ist heute ein Bulle in Zivil durch die Gegend gerannt und hat das Bild von Renate rumgezeigt. Die hat ganz schön tot ausgesehen. Angeblich hat sie in der Wohnung von Sibelius gelegen. Ich traue den Bullen ja nicht. Die können mir viel erzählen. Ich sage denen nichts.«
    Die schöne Gertrud vergaß, an ihrer Zigarette zu ziehen. Renate tot in Sibelius’ Wohnung. Dann weiß die Polizei, wo Sibelius wohnt. Sie werden seine Räume durchsuchen. Was wissen sie außerdem von ihm?
    »Du, ich zahle für alle, wie abgemacht. Mach’s gut. Ich muss telefonieren.«

    ***

    Damit hatte er nicht gerechnet. Überraschung? Konnert fühlte sich wie ein Junge, der ungeduldig auf seinen Geburtstag wartet. Überraschung? Er schaute noch einmal durch die Schaufensterscheibe in den Verkaufsraum. Zahra bediente lächelnd einen Kunden und bemerkte ihn nicht.
    Jedes Mal, wenn er sie abholte, kam er sich vor, als sei er wieder Konfirmand und spürte dieses flaue Gefühl in der Magengegend. Wie damals, wenn er schon in der Kirche saß und darauf hoffte, seine erste große Liebe würde sich in die Bank vor ihn setzen. Jetzt sah er verunsichert die Straße entlang und fragte sich, was die Leute dazu sagten, dass er mit einem Blumenstrauß auf dem Rücksitz auf eine Frau wartete, die mehr als dreißig Jahre jünger war. Die Leute sollen sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, versuchte er sich zu überzeugen, es ist ganz allein meine Sache, auf wen ich warte.
    Er schreckte auf, als sich sein Handy meldete, und fummelte es umständlich aus seiner Hosentasche. »Unbekannte Rufnummer« las er. Er überlegte noch, ob er das Gespräch annehmen sollte, als Zahra die Beifahrertür öffnete, ihn anstrahlte und sich dann mit Schwung auf den Sitz fallen ließ. »Du guckst ja immer noch so verkniffen. Freust du dich nicht?«
    »Doch, doch. Ich freue mich, sehr sogar.« Er drückte den Anruf weg und griff hinter sich, um die Blumen zu überreichen.
    »Das ist lieb von dir.« Sie umarmte Konnert und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Hast du schon zu Mittag gegessen?«
    »Nein, dazu war keine Zeit.« Er dachte an die Frauenleiche, die jetzt im Kühlfach des Instituts für Rechtsmedizin lag.
    »Italiener oder Chinese? Ich lade dich ein.«
    Er reagierte nicht sofort.
    »Adi! Hallo! Ich lade dich ein!«
    »Dann entscheide du, wohin wir gehen. Bitte!«

    Mustafa Akgül war bestimmt kein Italiener und

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