Teuflische Stiche
sitzt ein Bulle. Es geht jetzt nicht«, hörte Venske ihn flüstern. Er rückte auf dem Sofa ein wenig zurück. Kurz darauf erschien ein Mann in Drehers Alter. Er hatte eine Plastiktüte mit klirrenden Flaschen in der einen Hand, auf der anderen balancierte er zwei Pizzakartons.
»Darf ich bekannt machen? Maik Addiksen – Kommissar … Wie war Ihr Name?«
»Wir kennen uns«, sagte Addiksen und setzte seine Getränke vor Venske auf dem Couchtisch ab. »Hol mal ein Messer.« Er ignorierte Venske. Der hatte Addiksen schon zweimal wegen vorsätzlicher Körperverletzung festgenommen.
Er hält sich für schlau, ist rabiat und ein rotzfrecher Schläger, erinnerte sich Venske. Achtet auf sein Äußeres. »Addiksen! Ein Freund dieses Hauses. Da frage ich doch gleich mal nach: Wann haben Sie Renate Dreher zum letzten Mal gesehen?«
»Das geht dich gar nichts an.«
»Herr Addiksen«, Venske wurde auffallend höflich, »Sie wissen doch, dass Sie bei mir so nicht weit kommen. Antworten Sie mir jetzt nicht, bestelle ich Sie sofort aufs Kommissariat, lasse einen Streifenwagen anrollen, und Ihre Pizza wird kalt.«
»Na, dann sagen wir mal, gestern habe ich sie gesehen. Es war, warten Sie, fünfundzwanzig Minuten nach fünf. Wo war das noch? Ach ja, vor McDonald’s. Sie hat die Gäste angebettelt. Genügt das?«
Venske wäre gern aufgesprungen, um Addiksen am Kragen zu packen und zu schütteln. Er beherrschte sich und fragte: »Daran können Sie sich so genau erinnern?«
»Absolut, Herr Kommissar. Absolut. Kann ich jetzt essen?«
»Eventuell mögen Sie Ihre Pizza nicht mehr, wenn ich Ihnen sage, dass wir eine Frau tot aufgefunden haben, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Renate Dreher ist.«
Venske beobachtete genau die Reaktionen. Dreher versuchte, ein erschrockenes Gesicht zu machen. Dann ließ er das Messer theatralisch fallen und nahm die Hand vor den Mund. Addiksen guckte den Kommissar an und sagte: »Schön für sie. Endlich hat sie das Elend hinter sich.«
»Herr Dreher, kommen Sie bitte am Montag um neun Uhr ins Institut für Rechtsmedizin, um die Leiche zu identifizieren. Wissen Sie, wo das ist?«
»Ich bring ihn hin«, sagte Addiksen, setzte sich und riss einen Pizzakarton auf.
»Dann bis Montag, meine Herren, und guten Appetit.« Venske stand auf. Dreher begleitete ihn zur Tür. »Wie ist sie gestorben?«
»Das wissen wir noch nicht.«
Auf dem Weg zum Auto überlegte Venske, warum ihn die Männer so plump angelogen hatten.
***
Zahra dirigierte Konnert durch den Verkehr in Bremen. Er wunderte sich, wie gut sie sich trotz Dunkelheit im Straßengewirr der Hafenstadt auskannte. Sie hatte darauf bestanden, ihm keine Adresse für sein Navi zu nennen. Dann ist die Überraschung nicht mehr so doll, hatte sie gesagt. Sie hielten auf dem Parkplatz einer Kirche. In den Fenstern des angebauten Gemeindehauses brannten Kerzen. Vor dem Eingang standen Grüppchen zusammen, lachten und begrüßten Neuankömmlinge mit »Hallo!« und »Nice to see you!« oder »Heureux que vous soyez ici.«
»Komm doch«, sagte Zahra und zog ihn zu einer Gruppe Schwarzafrikaner am Fahrradständer. »Das ist Adi«, stellte sie ihn stolz vor und schob ihn in die Mitte, »er ist zum ersten Mal hier.« Die Frauen und Männer, alle in Zahras Alter, lachten ihn an, drückten ihn an sich und klopften ihm auf den Rücken. Einige gaben ihm Küsschen links und rechts auf die Wangen und flüsterten ihm ins Ohr: »Herzlich willkommen« oder »Schön, dass du da bist«. Gleich zog Zahra ihn zur nächsten Gruppe und weiter zur übernächsten. Konnert konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben in so kurzer Zeit so oft umarmt worden zu sein. Es verwirrte ihn.
Im Gemeindesaal spielte eine Band afrikanische Musik. In ihrem Rhythmus klatschten und stampften Frauen vor dem Podium. An einem langen Tisch bedienten sich Besucher an einem Buffet. Zahra ließ Konnert keine Zeit, die Speisen genauer zu betrachten. Sie raunte ihm zu: »Jetzt kommt die richtige Überraschung.« Sie trat hinter ihn, legte ihre Hände rechts und links an seine Schläfen und drehte seinen Kopf in Richtung einer Frauengruppe an der Längsseite des Saals. »Die Frau im feuerroten Kleid ist meine Mama.«
In ihrer Stimme klingt Stolz, registrierte Konnert.
»Du bist auch für sie die Überraschung dieses Tages.« Zum Stolz gesellte sich die Freude über eine gelungene Überrumpelung. »Los, komm mit. Sie wird sich freuen dich kennenzulernen.« Damit fasste sie
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