Teuflische Stiche
ihn an den Schultern und schob ihn vor sich her durch den Saal.
So ganz wohl fühlte sich Konnert nicht.
»Mama!«
Die flinken Augen der Frau sahen erst an Konnert vorbei, bekamen Glanz, als sie die Tochter erkannten, und schauten dann Konnert erwartungsvoll ins Gesicht.
»Mama, das ist Adi. Ich habe dir von ihm erzählt.« Auch jetzt hörte Konnert einen stolzen Unterton in ihrer Stimme.
»Adi, das ist Maria Yaméogo, meine Mutter.«
Konnert streckte ihr seine Hand entgegen und war irritiert, als Zahras Mutter einen Schritt auf ihn zu machte und ihn in den Arm nahm, um ihn an sich zu drücken. Er hielt sich an der kräftigen Frau fest. Dann stand er plötzlich wieder allein da, als sich Mutter und Tochter umarmten und lachten und französisch miteinander sprachen. Bei dem schnellen Wortwechsel verstand er so gut wie nichts und kam sich ausgeschlossen vor.
Es waren vielleicht noch zehn andere hellhäutige Personen im Raum. Die Palette der Hautfarben der übrigen Gäste reichte von Bronzebraun über Schokoladenbraun bis zu Schwarzbraun. Das Stimmengewirr der vielen unterschiedlichen Gruppen nahm an Lautstärke zu. Auch die Musik wurde intensiver und berührte Konnert auf eine tiefe Weise, die er nicht einzuordnen wusste. Fasziniert ließ er es dennoch geschehen und hatte das Gefühl, immer weiter in den Rhythmus hineingezogen zu werden. Wie abwesend stand er da und merkte nicht, dass sich sein Körper im Takt bewegte.
»Adi, wir wollen etwas essen.«
Er erschrak.
»Kommst du?« Zahra hakte sich bei ihm unter. Den anderen Arm hatte sie bei ihrer Mutter untergehakt und dirigierte beide mit strahlenden Augen und leichtem Schritt quer durch den Saal. Es muss so aussehen, als seien wir ihre Eltern, ging es Konnert durch den Kopf, und würden von unserer bezaubernden Tochter ans Buffet geführt. Er sah sich unsicher um. Niemand schien sie zu beachten.
Das meiste von dem, was in unzähligen Schüsseln, Töpfen und Schalen angeboten wurde, war Konnert unbekannt. Zahra empfahl ihm ununterbrochen: »Dies ist süß. Füll dir erst Reis auf den Teller. Das da musst du unbedingt probieren und bei dem Roten da, pass auf, das ist scharf. Nimm noch von den dünnen Fladen.« Sie nannte auch die Namen der Speisen, die er sich auf den Teller füllte. Aber die konnte er sich nicht merken. Mit einem Mal waren seine Gedanken bei dem leeren Kühlschrank in der Wohnung vom Freiherrn.
Die fremden Gerichte schmeckten Konnert. Bei einigen Spezialitäten musste Zahra ihm erklären, wie man sie würzt, oder auch vormachen, wie sie gegessen wurden. Sie lachte herzhaft, als er sehr kleine Klöße vorsichtig zu kauen versuchte und sie wie schlechtes Kaugummi an seinen Zähnen hängen blieben. »Schluck sie als Ganzes. Sie sind zu zäh.« Und alles wurde ohne Besteck, nur mit der rechten Hand gegessen. Ein bisschen widerstrebte es ihm, mit seinen Fingern aus dem Reis kleine Kügelchen zu formen, in eine dickflüssige Soße einzutunken oder Fleischstücke daraus zu fischen. Wie lange hatte es gedauert, bis ihm seine Mutter das Essen mit Messer und Gabel beigebracht hatte, und jetzt sollte er es sich wieder abgewöhnen?
Dann sah er einige Gäste eine dickflüssige Suppe in kleine Schalen füllen. Er bediente sich auch. Doch kaum hatte er etwas davon auf den Lippen, schien auch schon sein ganzer Mund zu brennen. Er hätte ausspucken mögen, riss sich aber zusammen und griff nach seinem Wasserglas. Tapfer aß er einen Löffel Suppe, trank gleich Wasser hinterher und löffelte sich die nächste Portion in den Mund, um gleich wieder zum Wasserglas zu greifen. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Mit Mühe hielt er durch.
»Fremde Länder, fremde Sitten«, flüsterte Maria ihm halblaut zu, »so sagt man doch, oder?«
»Ich hätte dich vorwarnen müssen, Adi. Es tut mir leid.« Zahra legte besänftigend ihre Hand auf Konnerts Arm.
In seinem Mund und auf seinen Lippen brannten die Gewürze weiter. Er schenkte sich aus der Wasserflasche nach und trank in großen Zügen.
»Ich würde gern eine Zigarette rauchen«, sagte Zahras Mutter. »Macht es dir etwas aus, mit mir vor die Tür zu gehen?«
Konnert paffte seine Pfeife. Die Gewohnheit half ihm wieder inneren Halt zu finden. Gleich brach der Kommissar bei ihm durch: »Woher kommen Sie, Frau Yaméogo?« Konnert war sich nicht sicher, ob er den Namen richtig ausgesprochen hatte. »Ich meine, wo wurden Sie geboren?«
»In meiner Heimat kennen wir keinen Unterschied zwischen Sie und du. Sag
Weitere Kostenlose Bücher