Teuflische Stiche
zu Hause. Bloß wegen einer Fünf in Englisch. Der blöde Drehmeier hat einfach eine Verbesserung von mir nicht anerkannt. Die kann ich in deinem Geschmier nicht entziffern, hat er gesagt und mich weggeschickt.«
»Da bist du machtlos. Mit der nächsten Drei machst du die Fünf allemal wieder wett.«
»Schreib du bei dem Drehmeier erst mal eine Drei. Das schaff ich nie, Opa.«
»Und wie wäre es, wenn du weniger Krimis lesen und mehr üben würdest?«
Lasse verzog resigniert das Gesicht.
»Ich habe noch eine bessere Idee«, schmunzelte Konnert, »ich besorge dir Krimis in Englisch. Ich meine, es liegen auch noch ein paar englische Hörbücher bei mir rum.«
»Klasse. Kann ich die heute schon kriegen?«
»Ich muss sie erst suchen. Du weißt doch, wie es bei mir aussieht.« Er blickte sich um. »Sind deine Eltern nicht hier?«
»Nee, Papa ist bei der Arbeit, und Mama wollte nicht mit dem Fahrrad fahren.«
»Bestell bitte liebe Grüße von mir.«
»Mach ich!«
Lasse lief zu seinen Freunden auf die Empore.
Konnert suchte sich einen Platz in den kurzen Bänken an der rechten Seite. Einerseits war er froh, dass sich niemand zu ihm setzte. Andererseits fühlte er sich alleingelassen. Wie er dieses Gefühl hasste und sich wünschte, wieder neben Zahra zu stehen und mit ihr zu singen. Sein Handy vibrierte in der Hosentasche. Er stand auf und strebte dem Ausgang zu.
»Konnert.«
»Habe ich dich noch vor der Messe erreicht?«
Venskes Tonfall reizte ihn. Er beherrschte sich. »Ja.«
»Ich versuche rauszukriegen, wie von Eck in seine versiegelte Wohnung kommen konnte. Willst du dabei sein oder dir lieber alte Geschichten erzählen lassen?«
»Ich bleibe hier. In anderthalb Stunden kannst du mich wieder anrufen und mir die Lösung mitteilen.«
»Na denn.«
Konnert stellte sein Handy ab. Als er sich zurück in die Bank setzte, stimmte die Musikgruppe gerade denselben Chorus an, der am Abend zuvor in der afrikanischen Gemeinde gesungen worden war – aber irgendwie anders.
***
Im spärlich beleuchteten Flur stand Venske grübelnd vor der Tür mit dem Polizeisiegel. Er überlegte, ob es ein Mittel gab, mit dem man den Spezialklebstoff auflösen könnte. Von derartigen Flüssigkeiten hatte er aber bisher noch nicht gehört. Mit beiden Händen an der Klinke versuchte er, die Tür anzuheben, aber die Angeln saßen fest. Immer noch ratlos schnitt er das Siegel, das Konnert gestern erneuert hatte, durch und betrat den Wohnungsflur. Nachdem er die Sicherungen eingeschraubt hatte, flammten die Neonröhren auf. Auch an der Innenseite der Tür fand er keine Spuren. »Hier ist er nicht durchgekommen.«
Er nahm sich die Holzfenster vor, bei denen an einigen Stellen die Farbe abblätterte, und wackelte an ihnen. Sie waren robuster als er vermutet hatte. Von außen konnte also niemand die Dachfenster und auch nicht die Fenster in Wohnzimmer und Küche öffnen. Dann muss von Eck doch wie Jesus durch verschlossene Türen und Mauern eingedrungen sein. Wütend schlug er mit der Faust gegen eine Wand, die weder hohl klang noch einen instabilen Eindruck machte.
In einer Küchenschublade suchte er eine Suppenkelle und begann, angefangen bei der Wohnungstür, systematisch die Wände abzuklopfen. Im Bad meinte er einen anderen Klang hinter der Innenwand wahrzunehmen, an der sich Spiegel und Waschbecken befanden, als in der Dachschräge. Logisch, sagte er sich, die eine Wand ist gemauert, über der anderen liegen nur die Dachpfannen. Im Schlafzimmer derselbe Unterschied. Danach klopfte er die meterhohe senkrechte Fläche hinter dem Nachtschränkchen ab. Der gleiche hohle Ton wie bei der Schräge. Was befand sich dahinter?
Er versuchte sich vorzustellen, wie ein Dach auf die Außenmauern gesetzt wurde. Seine erste Überlegung endete damit, dass die Schräge im Zimmer eigentlich bis zum Fußboden reichen müsste. Hier waren aber halbhohe senkrechte Wände. Gleichzeitig erinnerte er sich, einmal etwas von einer Abseite gehört zu haben, einem niedrigen Seitenbereich unter einer Dachschräge. Oder sagte man Blindboden dazu? Drempel? Sollte sich hier, zwischen Dachschräge und der niedrigen Zimmerwand, ein Hohlraum befinden?
Auch im Wohnzimmer tastete er jede Nahtstelle in der Tapete, jede Unebenheit, jeden Riss ab und suchte eine Tür, einen Einstieg oder etwas Ähnliches. Er rückte sogar das Sofa von der Wand.
Nichts.
Er kehrte ins Schlafzimmer zurück und ließ, leicht resigniert, seinen Blick schweifen.
»Suchst du was?« Nick
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