Teuflische Stiche
ganz bestimmt nicht, was ich mir denke. Du gehst ja doch zur Polizei und verpfeifst ihn.«
Du kümmerst dich jahrelang um diese Menschen, und doch vertrauen sie dir nicht, ging es der schönen Gertrud durch den Kopf. »Na gut. Vielleicht hast du sogar Recht.« Sie fischte noch einmal ihre Zigaretten aus der Tasche und bot sie Ivan an. Er nahm wieder zwei, steckte sich die eine hinter das linke Ohr, drückte die andere in den Mundwinkel und ließ sich Feuer geben.
»Der ist nicht nach Südfrankreich. Der liebt es am Tag kühl und in der Nacht ein bisschen kuschelig, meine ich mal gehört zu haben.« Ivan packte mit beiden Händen seinen Einkaufswagen, in dem er seine Habseligkeiten transportierte, sagte »Komm!« zu seinem Hund und drehte der schönen Gertrud den Rücken zu.
***
»April, April, kann machen. was er will – und das schon im März«, murmelte Konnert ergeben, als er durch einen Regenschauer über den Parkplatz hetzte. Mit nassem Mantel und tropfenden Haaren stand er im Aufzug und dachte daran, dass seine Frau ihn bei solchem Wetter immer angewiesen hätte, einen Schirm mitzunehmen. Früher. Ob Zahra ihn auch an so etwas erinnern würde? Hallo, ermahnte er sich in Gedanken‚ solche Überlegungen sind ein bisschen zu voreilig. Die Fahrstuhltüren öffneten sich, er trat hinaus und korrigierte sich: Nee, darüber muss man sich vor lebensverändernden Entscheidungen klarwerden. Nur nicht jetzt. Kriminaloberrat Wehmeyer kam die Treppe herunter.
»Ich bin auf dem Weg zu Ihnen. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt … Sie wissen schon.«
Nachdem sie gemeinsam Konnerts Büro erreicht hatten, fuhr er fort: »Um gleich zur Sache zu kommen, ich habe mir Ihr Überstundenkonto angesehen. Außerdem haben Sie im vergangenen Jahr nur fünf Tage Urlaub genommen. Ihnen stehen sechs Wochen zu. Wann gedenken Sie, Ihren Resturlaub anzutreten?«
Auf das Thema war Konnert nicht vorbereitet. Er mochte einfach nicht allein zu Hause herumsitzen oder irgendwohin fahren, um sich in der Fremde noch einsamer zu fühlen. Dazu fehlte ihm die Einsicht in die Notwendigkeit von Luftveränderung oder das Interesse an Sehenswürdigkeiten.
Als er nicht antwortete, beugte sich der Oberrat vor. »Konnert, ich habe Verständnis dafür gehabt, dass Sie nach dem Tod Ihrer Frau nicht allein sein wollten und öfters im Kommissariat gewesen sind als nötig. Aber das liegt jetzt über zwei Jahre zurück. Ich schätze Sie sehr und bin immer offen und ehrlich zu Ihnen gewesen. Verstehen Sie meine Überlegungen bitte als wohlgemeinte Fürsorge. Sie erscheinen mir in der letzten Zeit so, als müssten Sie sich überwinden, aktiv zu werden. Wir kennen uns lange genug, so dass ich das beurteilen kann. Früher haben Sie Gründe gehabt, wenn Sie Ihrem Stellvertreter Entscheidungen überlassen haben. Jetzt verzichten Sie einfach so auf das letzte Wort. Es kommt mir so vor, als wären Sie ein wenig überarbeitet.«
Konnert sah seinen Vorgesetzten an und schwieg. Auf die Bemutterung hätte er gern verzichtet.
»Sie sollten sich Urlaub gönnen und ein paar Überstunden abbummeln. Ich genehmige Ihnen den Resturlaub auch über den 31. März hinaus. Spannen Sie mal aus!«
Konnert wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Am Himmel zogen helle Wolken unter einem strahlenden Blau vorbei. Urlaubswetter. Er wollte aber keine freien Tage mit Rasenvertikutieren oder Spaziergängen an irgendeinem Inselstrand herumkriegen.
»Wir müssen einen Fall lösen«, versuchte er, sich dagegen zu wehren, nach Hause geschickt zu werden.
»Sie haben einen guten Stellvertreter.«
Konnert sah Kriminaloberrat Wehmeyer direkt an. »Gut, wenn der Fall Renate Dreher geklärt ist, gehe ich in Urlaub. Das kann schon in wenigen Stunden sein. Stellt sich heraus, dass keine unnatürliche Todesursache vorliegt, kann Venske den Rest erledigen.«
Bevor der Oberrat reagieren konnte, klingelte das Telefon, und Konnert hob blitzschnell ab. »Ich komme runter.« Während er den Hörer auflegte, stand er auf. »In der Kriminaltechnik krakeelen zwei Männer und wollen mich unbedingt sprechen. Ich muss dahin.«
»Wenn der Fall aufgeklärt ist, gehen Sie in Urlaub.«
Konnert öffnete seine Mappe, entnahm ihr ein Flugblatt und drückte es seinem Chef in die Hand. »Könnte das Vierte Kommissariat interessieren.« Höflich ließ er seinem Vorgesetzten beim Verlassen seines Büros den Vortritt, eilte aber dann im Großraumbüro an ihm vorbei zum Fahrstuhl.
Im Erdgeschoss standen Karl
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