Teuflische Stiche
Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland sah ihn Zahra mit ihrem bezaubernden Lächeln an. Er ging auf sie zu und wollte ihr die Hand reichen, sie aber drängte sich an ihn, um ihn liebevoll zu umarmen.
»Ich musste dich sehen.«
Hinter der schusssicheren Glastrennwand standen zwei Beamte und hielten ihre Daumen in die Höhe. Verlegen lächelnd wand er sich aus der Umarmung und forderte die uniformierten Kollegen auf, erneut den Türöffner zu betätigen. Die ließen sich Zeit. Gleich nach dem Summen der Schließanlage stieß Konnert die Flügeltür auf und schob Zahra vor sich her in den Aufzug.
»Telefonisch warst du nicht zu erreichen. Da bin ich einfach hierhergekommen.«
Konnert fummelte sein Handy aus der Hosentasche und sah, dass sein Akku leer war. »Entschuldige bitte.« Er zeigte ihr das Display. »Tot. Entschuldige.« Warum nur habe ich sie nach dem wunderbaren Frühstück nicht mal angerufen? Und zum dritten Mal sagte er: »Entschuldige bitte. Ich bin nicht einmal dazu gekommen, Mittag zu essen.«
Sie nahm seine Hand und ließ sie nicht los, bis sie in seinem Büro angekommen waren. Auf dem flackernden Bildschirm leuchtete das Symbol für eine neue Nachricht. Noch im Stehen öffnete er sein E-Mail-Konto und las: »Herzlichen Glückwunsch zur Perle der Karibik!«
Wütend drückte Konnert den Button, um die E-Mail zu löschen.
Zahra stand hinter ihm. »Ärger dich nicht. Solange ich zurückdenken kann, hat es Anspielungen auf meine Hautfarbe gegeben. Oft freundlich, bewundernd, aber oft auch hämisch oder anzüglich.«
»Das tut mir leid.«
»Muss es nicht, Adi. Menschen sind so. Minderheiten haben es überall auf der Welt nicht leicht. Meistens akzeptieren mich die Leute ja. Mach dir keine Sorgen wegen mir.«
Sie sah sich interessiert um. »Hier arbeitest du also.« Konnert folgte ihrem Blick zu der leeren Fensterbank, auf die sie bestimmt blühende Blumen stellen würde. Die Risse neben den Tesastreifen an alten Polizeiplakaten bemerkte er jetzt auch. Aquarelle in leuchtenden Pastelltönen würden ihr besser gefallen. Wenn sie täglich hier sitzen müsste, hätte sie schon lange eine freundlichere Atmosphäre geschaffen.
»Mein Büro gefällt dir nicht, stimmt’s?«
»Kannst du nicht Feierabend machen? Meinen freien Tag würde ich gern mit einem gemeinsamen Spaziergang beenden.«
Er sah aus dem Fenster. Einzelne Sterne blinkten in Wolkenlücken. Spontan schaltete er den Computer aus. Morgen ist auch noch ein Tag, rechtfertigte er seinen Entschluss, und wenn morgen kein Tag mehr ist, muss ich jetzt auch nichts mehr erledigen. Den Spruch sagte er sich oft, wenn er unsicher war, ob er wirklich schon Feierabend machen könnte.
In der Zugangsschleuse lächelte Konnert seinen uniformierten Kollegen zu. Wegen der eingeschalteten Mikrofone hörte er einen sagen: »Konnert mit so einem jungen Ding.«
Kühle Luft empfing sie vor der Polizeiinspektion. Wie selbstverständlich bog er rechts ab in Richtung Friedhof. Durch das zarte Grün der Ahornbäume strich ein leichter Wind. Der Duft ihrer Blüten mischte sich mit Zahras Parfüm. Konnert suchte ihre Hand und hielt sie zärtlich fest.
»Dein Tag war anstrengend.« Ihre Worte klangen nicht wie eine Frage.
»Ging schon.«
Sei aufrichtig zu Zahra, ermahnte er sich. »Um ehrlich zu sein, es war ein bemerdeter Tag. Danke, dass du mich vom Computer weggeholt hast.«
»Was ist bemerdet?«
Über Konnerts Gesicht huschte endlich ein Lächeln. »Ich mag das Wort Scheiße nicht und rette mich mit der französischen Variante.«
»Freunde meiner Mutter haben erzählt, Scheiße als erstes deutsches Wort gelernt zu haben.« Ein wenig später fragte Zahra: »Wohin wollen wir?«
Konnert blieb abrupt stehen. »Entschuldige. Wenn ich in Gedanken aus dem Kommissariat gehe, führt mich mein Weg automatisch hierher. Ich setze mich auf den Friedhof und denke nach. Da komme ich zur Ruhe. Manchmal schlafe ich sogar auf einer Bank ein. Die Leute halten mich dann wahrscheinlich für einen Landstreicher. Mir ist es egal. Es tut mir gut, da allein zu sitzen. Sollen sie doch denken, was sie wollen.«
»Zeigst du mir die Bank?«
»Willst du wirklich im Dunkeln auf einen Friedhof?«
»Warum nicht. Die da liegen, sind alle tot. Die tun uns nichts.«
Sie bogen ab. Konnert legte seinen Arm um Zahras Taille und drückte sie an sich. Rechts glänzte das steinerne Kreuz des Kriegerdenkmals. Über ihnen rauschten die jungen Blätter der Alleebäume. Als sie die Bank
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