Teuflische Stiche
erreichten, kuschelten sie sich auf ihr schweigend aneinander. Der schmale Baumstreifen am Rand des Friedhofs dämpfte ein wenig die Geräusche der nahen Autobahn. Ansonsten war es still.
Langsam kroch die feuchte Kälte an ihren Beinen hoch. Zahra öffnete Konnerts Mantel, setzte sich auf seinen Schoß und legte ihren Arm um seinen Hals. Er zog seinen Mantel um sie und hielt sie fest umschlungen, als wollten sie bis in alle Ewigkeit so sitzen bleiben.
»Woran denkst du, Adi?«
Sei aufrichtig zu ihr, ermahnte sich Konnert. »An meine Tochter. Dass sie vor ein paar Monaten so auf meinen Knien gesessen und geweint hat, weil ihr Mann sie geschlagen hatte. Und auch an meine verstorbene Frau. Sie wäre nachts nie mit mir auf einen Friedhof gegangen, um sich da auf meinen Schoß zu setzen. Und nun sitzt du so nah bei mir, und ich bin glücklich.«
»Ich bin wie du sehr glücklich, Adi Konnert, mein Liebster.«
Die Sirene eines Streifenwagens, der die Ziegelhofstraße heraufkam, wurde lauter. Blaulicht blitzte durch die Häuserlücken. Konnert hatte sich angewöhnt unmittelbar für seine Kollegen und die in Not geratenen Menschen zu beten, wenn er eine Alarmfahrt hörte. Sogar jetzt. Sein Hochgefühl sackte zusammen. Bilder von Unfällen, von Toten und Tätern tauchten in ihm auf. Zahra löste sich ein wenig von ihm und versuchte, im schwachen Licht sein Gesicht zu erkennen. »Du siehst müde aus, Adi, und hungrig. Lass uns gehen und etwas essen.«
In der Cucina di Da Vinci begrüßte Mustafa das Paar wie gute Bekannte. Konnert kannte die Speisekarte auswendig und ließ sich eine Pizza Speziale mit Salami, Schinken, Pilzen und viel Zwiebeln kommen. Zahra bestellte gegrilltes Lachsfilet in Dillsauce mit Rosmarinkartoffeln. Dazu tranken sie den Hauswein.
»Mein Chef wollte mich in den Urlaub schicken«, begann Konnert zu erzählen. »Ich sei abgespannt und müsse mich erholen. Irgendwie hat er Recht. Manchmal fühle ich mich ausgelaugt. Bei unseren Ermittlungen sind wir noch ganz am Anfang. Keinen klaren Ansatz zu haben, ist in einem so frühen Stadium normal. Aber dass ich so wenig Leitung und Elan einbringe, hemmt die Gruppe. Und dann soll ich auch noch einen meiner Leute abgeben und dafür einen fremden Mitarbeiter bekommen.« Plötzlich schwieg er und betrachtete seinen Teller. Nicht einmal die Hälfte der Pizza hatte er verspeist.
Sie nahm seine Hand in die ihre. »Erinnerst du dich an den Gottesdienst in Bremen? Weißt du noch, was Manu gepredigt hat? Schau nicht auf das Äußere, das Sichtbare, nicht auf die Umstände, nicht auf die Hindernisse, nicht auf die Menschen, nicht auf deine eigenen Fähigkeiten. Blick tiefer! Beachte das, was dahinterliegt! Betrachte Gottes Möglichkeiten! Orientiere dich an seinen Werten. Vertraue, Adi! Es kommt nicht auf deine Stärken an, Gott wird Gelegenheiten schaffen, die dir weiterhelfen.«
Er legte seine freie Hand über Zahras. Da war ein Verstehen zwischen ihnen. Tränen traten in seine Augen. Er blinzelte sie weg. Langsam, ganz langsam entstand ein Lächeln. Zahras makellose Zähne leuchteten in ihrem dunklen Gesicht.
***
Maik Addiksen wühlte sich immer noch durch die verschleppten Schätze in der Wohnung von Ewald Schäperklaus. Was er genau suchte, wusste er nicht. Sein Instinkt sagte ihm, er müsse ein Beweisstück finden, das entweder Schäperklaus oder den feinen Freiherrn als Täter überführen würde. Hektisch arbeitete er sich durch die Lebensmittelvorräte und das Diebesgut. Immer wieder schwankte er und hielt sich schnell an einem Möbelstück fest. Ist Renate wirklich noch am Leben gewesen, als ich durch den Flur geschlichen bin? Schweiß trat ihm auf die Stirn.
In den Zimmern oben fand er nichts Passendes. Er nahm sich den Keller vor und kramte zwischen Fahrradersatzteilen, alten und neuen Kleidungsstücken und Lebensmitteln, die zum Teil schon über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus waren, herum. Er räumte einen morschen Kleiderschrank aus. Unter Kartons, prallvoll mit Pornoheften, fühlte er etwas Metallisches. Er zog es hervor und hatte eine Geldkassette in der Hand.
»Na also!« Er war sich sofort sicher, gefunden zu haben, was er suchte.
Die Kassette war verschlossen. Der Schlüssel fehlte. Er würde sie auch ohne Schlüssel knacken, wenn er erst einmal in seinem eigenen Keller wäre.
Dienstag, 26. März
Konnert betrat das Großraumbüro und schlenderte an den schon anwesenden Mitarbeitern vorbei. Er sah einmal hier über die Schulter
Weitere Kostenlose Bücher