Teuflische Stiche
Unterschicht gehören. Deren finanzielle Notlagen würde er für sexuelle Gegenleistungen ausnutzen. Er sei in der vorigen Woche aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.«
»Was willst du damit andeuten? Dass der zweite Vorsitzende von PsS Renate Dreher vergiftet hat? Kilian, alle Anerkennung für deinen Einsatz, aber den Ansatz kannst du doch nicht ernsthaft verfolgen.«
»Du selbst hast angeordnet, wir sollten uns nicht nur auf den Freiherrn konzentrieren. Da bin ich ganz deiner Meinung. Solange wir keiner eindeutigen Spur folgen, müssen wir Alternativen nachgehen, die auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheinen. Je umfangreicher die Datensammlung ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, relevante Informationen herausfiltern zu können.«
Zum zweiten Mal an diesem Morgen halten mir meine Mitarbeiter vor, was ich einmal gesagt habe, und machen ihr eigenes Ding daraus, stellte Konnert fest. Na ja, er kommt von einem Lehrgang, seufzte er und fragte: »Was konntest du noch über den Verein herausbekommen?«
»Er besteht seit einem Jahr, hat zurzeit dreiundzwanzig Mitglieder, ist als gemeinnützig anerkannt und wird vor allem vom Vorsitzenden Doktor Jens Pauschler, achtundfünfzig, geschieden, zwei erwachsene Kinder, finanziert. Er besitzt eine pharmazeutische Firma im Industriegebiet bei Rastede. Offensichtlich verfügt er über ein stattliches Barvermögen. Ziel der Organisation ist die Entfernung von Gegebenheiten, welche die Stadt Oldenburg nachteilig beeinflussen. So steht es fast wörtlich in der Satzung. Aktivitäten waren bis jetzt Leserbriefe, Infostände bei Stadtteilfesten und Werbeaktionen in Straßen, die nach Auffassung der Interessengemeinschaft von nachteilig beeinflussenden Gegebenheiten bedroht werden, also von Ratten, Prostituierten, Bettlern und so. Die Demo morgen ist die erste größere öffentliche Aktion.«
»Frag mal beim Vierten Fachkommissariat nach, ob die was über den Verein wissen, und mach dich mal schlau, ob eine Gegendemo geplant ist. Erkundige dich bei der Spurensicherung, was es für uns Neues gibt.« Er winkte kurz mit drei erhobenen Fingern. »Drei Uhr.«
Jetzt muss mich noch Babsi mit meiner obskuren Idee überraschen. Konnert zog sich in sein Büro zurück. Ihm kam ein Bibeltext in den Sinn. Wenn der König keine eindeutigen Weisungen gebe, würde das Volk wüst und wild oder zügellos oder so ähnlich. Ich leite ein Team aus kompetenten Mitarbeitern, und mir ist Eigeninitiative allemal lieber als Kadavergehorsam, reflektierte er die Initiativen von Venske und Kilian. Niemand soll mich hinter meinem Rücken mit erhobener Hand Adolf nennen. Sein Name durfte nicht Programm werden.
Venske schlug sich mit der rechten Faust in die offene linke Hand. »Da oben hat es mächtig gerumst.« Er strahlte über alle vier Backen und bewegte seine Hüften wie ein tänzelnder Boxer. »Wehmeyer ist ganz cool geblieben, sagt die Sekretärin, als die Frau Staatsanwältin ihn zur Rede gestellt hat. Ostfriesen haut so schnell nichts aus den Schuhen.« Venskes Augen blitzten vor Anerkennung für den Kriminaloberrat. »Ich frage dich, warum ist die in ihrem Alter eigentlich nicht schon Oberstaatsanwältin? Das kriege ich raus.«
Genervt fragte Konnert: »Was ist mit den Durchsuchungsbeschlüssen?«
Venske wurde ernst. »Hat sie verweigert. Es gebe noch zu wenig Verdachtsmomente für einen so schweren Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz. Außerdem müsse mit Menschen aus prekären Verhältnissen genauso verfahren werden wie mit allen anderen. So hat sie in einer Lautstärke argumentiert, dass Wehmeyers Sekretärin, trotz geschlossener Tür, eine wörtliche Mitschrift hätte anfertigen können.«
»Merde! Versuch es auf die gütliche Tour. Vielleicht lassen die beiden Kandidaten euch ja ohne Durchsuchungsbeschluss suchen. Wer nichts zu verbergen hat … du weißt schon.«
Venske gab Babsi die Klinke in die Hand.
»Die schöne Gertrud ist nicht zu finden. Wen ich auch gefragt habe, ich habe immer die gleichen Antworten bekommen. Gestern ist sie am Vormittag noch gesehen worden, seit dem Mittag nicht mehr. Bei der Diakonie habe ich meine Visitenkarten mit der Bitte verteilt, mich anzurufen, sobald die schöne Gertrud irgendwo auftaucht.«
»Merde!«
»Renate Dreher hat übrigens nicht zu den umschwärmten Besuchern des Tagesaufenthalts gehört. Einige der Frauen weinen ihr keine Träne nach. Sie soll bewusst Freundschaften durch
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