Teuflische Stiche
betreffende Team in Cloppenburg auseinanderzureißen und an verschiedene Dienststellen zu versetzen. Zwei von den Versagern bekommen wir und müssen dafür zwei von unseren Leuten nach dort abgeben. Die beiden Tränen von da müssen hier in unterschiedlichen Kommissariaten unterkommen.«
Konnert gefiel nicht, wie sein Vorgesetzter über Kollegen sprach. Er erinnerte sich an einen Spruch seiner Mutter: »Wie man zu dir über andere spricht, so spricht man auch über dich zu anderen.« Wenn das stimmte, dann hatte er sich sehr in seinem Chef getäuscht. Er entschuldigte ihn damit, dass er erregt und in einem emotionalen Ausnahmezustand war. Abwarten, sagte er sich.
»Infrage kommen für mich nur Ihr Fachkommissariat und das Dritte, Betrug und Computerkriminalität. Sie bekommen einen Mann aus Cloppenburg und müssen einen nach dort abgeben. Entweder Babsi oder Kirchner. Das können Sie entscheiden.«
Konnert kam sich wie in eine Ecke gedrängt und dann in die Knie gezwungen vor. Einer nach dem anderen gab den Druck von oben nach unten weiter. An ihm blieb der Schwarze Peter hängen. Er durfte das Urteil über einen seiner Leute fällen. Ich darf – wie großzügig, wie gnädig, wie zuvorkommend. Er holte tief Atem. Urlaub antreten und den Rasen vertikutieren oder hierbleiben und Babsi beziehungsweise Kilian zur Versetzung vorschlagen. Es fühlte sich für ihn an, als müsste er einen der beiden zum Abschuss freigeben. Er war ganz nahe davor, doch seinen Urlaub zu nehmen, empfand das aber als feige und sagte: »Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«
»Keine Chance, Herr Konnert, das ist jetzt so beschlossen. Daran führt kein Weg vorbei.«
Konnert zeigte seinem Chef abwehrend die Innenflächen seiner Hände. Dann informierte er knapp über die Ergebnisse des Tages. Im Team herrsche Einigkeit darüber, es sei von Mord auszugehen. Darum gehe er nicht in Urlaub.
»Drei Punkte würde ich gern noch mit Ihnen absprechen.« Ohne Wehmeyers Reaktion abzuwarten, zählte er mit leiser Stimme auf: »Erstens brauchen wir morgen Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen von Karl Dreher und Maik Addiksen. Zweitens würde ich gern eine Pressekonferenz abhalten, um die Medien zu informieren und sie aufzufordern, Bild und Daten des Freiherrn von Eck zu veröffentlichen. Drittens möchte ich von Ihnen wissen, wie ich mich zu der Aufforderung der Staatsanwältin zu verhalten habe. Sie erwartet, dass ich zeitgleich mit meinem Bericht an Sie auch ihr die Ergebnisse unserer Ermittlungen zukommen lasse.«
Kriminaloberrat Wehmeyer hatte Konnerts Ausführungen schweigend entgegengenommen. »Durchsuchungsbeschlüsse und Pressekonferenz gehen in Ordnung. War es das?«
An ein so steifes, förmliches Gespräch mit seinem Chef konnte Konnert sich nicht erinnern. Im Oberrat musste eine schwer zu beherrschende Wut rumoren. Vermutlich liefen unangenehme Aktivitäten in Hannover.
Zurück vor dem Bildschirm quälte sich Konnert mit einer Pfeife zwischen den Zähnen durch den Bericht der Rechtsmedizin. Zu viele Zahlen und Daten und Bezeichnungen und Erklärungen wirbelten vor seinen Augen hin und her. Er musste seine eigene Ordnung in das Gewirr bringen. Ihm half mal wieder ein kariertes DIN-A4-Blatt, auf dem er sich eine Liste anlegte.
Am Ende überlegte er: Freiherr von Eck hatte den Slip der Toten in den Mülleimer geworfen. Er hatte mit den Papierhandtüchern Kot aufgewischt. Überall war äußerst penibel geputzt worden, er hatte versucht, jede Spur zu verwischen und dabei den Abfalleimer übersehen oder vergessen ihn auszuleeren und zu reinigen? Da stimmte doch etwas nicht. Oder sollten wir diese Spuren finden?
Er lehnte sich zurück, drückte den Tabak in seiner Pfeife nach, inhalierte den Rauch und fasste sich an die Nasenwurzel. Von Eck ist durch die Abseite gekrochen. Nur um sich Rasierzeug zu holen?
Dann stierte er vom Schreibtisch aus in den von den Lichtern der Stadt schwach beleuchteten grauen Himmel. Doch der bot seinen Augen keine Anhaltspunkte.
Das schrille Klingeln seines Telefons ließ ihn zusammenzucken.
»Konnert.«
»Hier unten ist eine hübsche junge Frau, die dich ganz dringend sprechen möchte.« Konnert hörte den süffisanten Unterton heraus. »Soll ich sie hereinlassen, oder kommst du runter?«
Meine Tochter? Dann ist Schlimmes mit ihrem Ehemann passiert. Aber sie würde doch erst anrufen. Zahra?
»Ich bin schon auf dem Weg.« Die Tür zum Fahrstuhl stand offen.
Aus der Schleuse zum Inneren der
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