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Teuflische Stiche

Teuflische Stiche

Titel: Teuflische Stiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Brüning
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hielt ihr die leere Tasse hin. Ruth rutschte aufs Sofa und nahm die Kaffeekanne, um ihm nachzuschenken.
    »Papa? Gilt dein Angebot noch, dass wir zu dir ziehen können?«
    »Natürlich.« Als er das Wort ausgesprochen hatte, wurde ihm blitzartig bewusst, welche Konsequenzen es für ihn haben würde, wenn seine Tochter bei ihm einzöge. Sie wird mitbekommen, wann ich aus dem Haus gehe, wann ich zurückkomme und wer mich besucht. Er dachte an Zahra. Ich bin erwachsen, sagte er sich, und diesmal umspielte ein Schmunzeln seinen Mund.
    »Freust du dich, wenn wir bei dir einziehen?«
    Er wiegte den Kopf und lächelte sie an. »Na ja, es wird schon eine Umstellung für mich sein – und für dich und Sven. Du bist dann wieder die Tochter im Haus deines Vaters. Aber wir werden uns vertragen.«
    Weil Ruth nichts dazu sagte und Konnert noch seine letzten Sätze überdachte, entstand eine leichte Spannung.
    »Papa, ich weiß nicht, wo Sven ist.«
    »Heute Nachmittag habe ich ihn in der Stadt gesehen. Ich werde ihn suchen und mit ihm sprechen. Es findet sich bestimmt auch für ihn eine Lösung.«

    ***

    Sein Auto stand auf dem Parkplatz der Polizeiinspektion. Er hätte sich ein Taxi nehmen können. Lieber war ihm aber der Fußmarsch durch die Nacht.
    Zwischen den langsam dahinziehenden Wolken konnte er einzelne Sternbilder erkennen. In zwei Tagen ist Vollmond, fiel ihm ein. Doch viel mehr beschäftigten ihn die Reaktionen auf das Eingeständnis seiner Schuld am Tod von Karl Dreher. Und wieder überlegte er, ob die Maßstäbe und Werte, nach denen er sein Handeln auszurichten versuchte, zu kleinlich, zu eng, zu schwerfällig waren. Er kannte aber keine Alternative zu Ehrlichkeit und der Bereitschaft, Fehler einzugestehen und die Konsequenzen zu tragen.
    Eine Gruppe betrunkener junger Männer kam ihm entgegen. Er wechselte die Straßenseite, um ihnen nicht direkt begegnen zu müssen. Dann war es in der Siedlung, durch die er ging, wieder still. Ein Gedicht von Friedrich Nietzsche kam ihm in den Sinn:

    Es geht ein Wand’rer durch die Nacht
    Mit gutem Schritt;
    Und krummes Tal und lange Höhn –
    Er nimmt sie mit.
    Die Nacht ist schön –
    Er schreitet zu und steht nicht still,
    Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.

    Da singt ein Vogel durch die Nacht.
    »Ach Vogel, was hast du gemacht!«

    Weiter fiel ihm der Text nicht ein. Nur noch die Zeile »Allein ist mir die Nacht nicht schön …«
    Wenn ich jetzt nach links abbiege, könnte ich in zwanzig Minuten bei Zahra sein. Aber ich bin ja morgen zum Frühstück eingeladen. Außerdem muss ich klären, wie ich mich gegenüber meinen Vorgesetzten verhalte. Warte ich ab und lasse sie über mich entscheiden oder setze ich mich durch? Kann ich wirklich selbst beschließen, was ich tue? Seine Schritte wurden langsamer. Er kam an einem Haus mit hell erleuchteten Fenstern vorbei. Schlagermusik war leise zu hören.
    Er blieb stehen und sah zu, wie dort junge Leute tanzten. Bestimmt scherzten sie auch miteinander. Sie lebten ihr Leben. Im Weitergehen reifte sein Entschluss. Ich werde den Fall an Venske abgeben und Urlaub machen. Ich vertikutiere meinen Rasen, bereite mit Ruth ihren Umzug vor und suche Sven. Für Lasse kann ich die englischsprachigen Krimis heraussuchen und sie zum Anlass nehmen, bei meinem Sohn und seiner Familie vorbeizuschauen. Ich nehme mir Zeit für sie.
    Sein Handy klingelte. Die Wache der Polizeiinspektion rief an. »Adi, ein Nick hat für dich eine Nachricht hinterlassen. Er habe beobachtet, dass in der Wohnung vom Freiherrn Licht brennt und sei hingeschlichen.«
    »Schickt mir einen Streifenwagen, schnell.«

    Das Treppenhaus lag im Düstern, und die Haustür war nicht abgeschlossen. Ohne jemanden wecken zu müssen, konnten die Beamten eintreten. Einer der Streifenpolizisten löste eine Taschenlampe von seinem Gürtel. Ihr schwaches Licht beleuchtete den Treppenaufgang. Konnert ging voran. Sein eigener Schatten schwankte vor ihm hin und her, je nachdem wie der Polizist hinter ihm seine Hand mit der Lampe bewegte. Bis sie im Dachgeschoss vor der Wohnung des Freiherrn ankamen, dauerte es. Mit dem Ohr am Türblatt lauschte Konnert ins Innere. Ein leises Stöhnen war zu hören. Er drückte die Klinke hinunter. Verschlossen. Er klopfte. Nichts rührte sich. Der Flur lag still da. Das Ächzen war jetzt lauter. Oder versuchte jemand, etwas zu sagen und war zu schwach zu rufen?
    Nachdem Venske in der vorigen Woche die Tür aufgebrochen hatte, war sie nur notdürftig

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