Teuflische Stiche
erneut seinen dringenden Antrag auf Urlaub.
»Du kannst von mir aus zwei Monate an einem Stück freinehmen und anschließend noch deine Überstunden abbummeln, aber erst wirst du die Todesermittlung Dreher abschließen.« Nach einem Augenblick hakte er nach: »Hast du mit der Staatsanwältin gesprochen?«
Konnert nickte.
»Egal! Mit welchen Vorschlägen oder juristischen Maßnahmen auch immer sie hier auftaucht, es bleibt dabei, du machst deine Arbeit. Mit der werde ich schon fertig.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Dann kriegst du dein Disziplinarverfahren, auf das du anscheinend so scharf bist.« Nach einem Augenblick, in dem er seinem Mitarbeiter wohlwollend in die Augen gesehen hatte, sagte Wehmeyer: »Mensch, Adi, was ist in dich gefahren? Ja, du hast dich früher auch nicht immer an meine Anweisungen gehalten, aber auf Konfrontationskurs bist du nie gegangen. Sei um Himmels willen vernünftig! Du hast mir mitgeteilt, dass du die Selbstmorddrohung von Dreher falsch eingeschätzt hast, und damit muss es jetzt gut sein.«
»Um meine Fehleinschätzung geht es doch gar nicht, sondern um die Folgen, die sie hat. Ich will doch nur, dass diese Angelegenheit nicht freundlicherweise zu den Akten gelegt und einfach vergessen wird.«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis. Ich werde sie dir schon bei passender Gelegenheit präsentieren. Aber wenn du jetzt unbedingt eine Reaktion willst, okay. Du kriegst einen Vermerk in deine Personalakte: Hauptkommissar Adolf Konnert informiert über eine Fehleinschätzung ... und so weiter und so fort. Datum von gestern.«
Ein ungutes Gefühl beschlich Konnert. Mir bleibt keine Wahl. Ich muss einsehen, dass stures Insistieren nichts mehr bringt. Langsam erhob er sich und sah nun seinerseits seinem Vorgesetzten in die Augen. Der kam hinter seinem Schreibtisch hervor, trat zu seinem besten Mann und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Jetzt zufrieden? Alles wieder im Lot?«
Konnert wandte sich ab.
»Noch etwas, Adi.« Wehmeyer folgte ihm ein paar Schritte. »Deine neue Mitarbeiterin tritt heute ihren Dienst bei uns an. Ich komme dann mit ihr runter zu euch.«
Erst im Fahrstuhl begriff Konnert, was er eben gehört hatte. Sie würden eine zweite Frau ins Team bekommen. Und noch etwas wurde ihm bewusst. Er hatte wegen des Trubels um Karl Drehers Selbstmord vergessen, seine Leute über die Veränderungen in der Ermittlergruppe zu informieren.
***
Kalte Regenschauer zwangen Kilian Kirchner, im Auto sitzen zu bleiben. Es waren nur knapp zehn Meter bis zum Eingang des Supermarkts mit Lotto-Annahmestelle. Selbst bei einem Spurt würde er pitschnass, bevor er das Vordach erreicht hätte. Außerdem, wozu sollte es gut sein, fragte er sich, wenn ich wenige Minuten eher fragen kann, ob Renate Dreher oder Klaus Stelzig hier einmal einen Lottoschein vorgelegt haben? Wahrscheinlich ist doch, dass ich mir wieder ein Kopfschütteln oder ein Schulterzucken ansehen muss. Die Enttäuschung soll ruhig die fünf Minuten warten, entschied er.
Vor ein paar Wochen hätte er sich jetzt eine Zigarette angezündet. Aber er rauchte ja nicht mehr. Konnerts Methode hatte funktioniert. Erst eine Stunde ohne zu rauchen durchhalten, sich dann sagen, wenn ich die schaffen konnte, kriege ich auch eine zweite Stunde ohne Zigarette rum. Und immer so weiter. Wenn ich es einen Tag fertig gebracht habe, ohne Qualm zu leben, warum sollte ich nicht noch einen zweiten Tag ohne hinter mich bringen? Und wer zwei Tage schafft, steht auch drei Tage durch. Sich zu entwöhnen war trotzdem nicht einfach gewesen, aber auch nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Nur in solchen Momenten wie diesen, wenn es nichts zu tun gab, dann wünschte er sich doch ein Fluppe zwischen die Lippen.
Die ersten Passanten trauten sich wieder auf den Parkplatz und huschten zu ihren Autos. Kilian stieg aus. Mit großen Schritten eilte er an den parkenden Wagen vorbei zum Eingang. Sofort fiel sein Blick auf die geschlossenen Zigarettenkäfige neben den Kassen. Er hielt sich rechts. In der kioskartigen Lotto-Annahmestelle bediente eine kleine Frau einen Kunden, der gleich vier Zigarettenpackungen kaufte. Sie musste sich recken, um die Schachteln der seltenen Marke aus einem der oberen Regale zu ziehen. Kilian wartete, bis er allein vor dem mit Süßigkeiten und Getränkepackungen überladenen Verkaufstresen stand, und zeigte erst seinen Ausweis und dann gleichzeitig die Fotos von Dreher und Stelzig.
Die Frau sah die Bilder an und überlegte
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