Teuflische Stiche
Kommissariats. »Und informieren Sie bitte auch die anderen Angestellten. Ich danke Ihnen für Ihre Mühe. Sie haben uns sehr geholfen.«
Zurück am Arbeitsplatz setzte sich Kilian vor seinen PC und wusste nach wenigen Klicks, dass die Lottogesellschaft den Gewinn vom Mittwochslotto am 20. Februar für fünf Richtige plus Zusatzzahl überwiesen hatte.
Wo zweitausend Euro geblieben waren, wusste er ja schon. Wer hatte die übrigen dreitausend? Und dann ging ihm auf, dass Stelzig jetzt allein über das Konto verfügen konnte.
***
Jede rote Ampel auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft war für Konnert eine kleine Versuchung, rechts oder links abzubiegen. Er blieb aber seiner Entscheidung treu und erreichte schließlich das Gebäude in der Gerichtsstraße.
Als er ihr Büro betrat, goss Frau Lurtz-Brämisch ihre Zimmerpflanzen aus einer goldglänzenden Kanne. »Was führt Sie zu mir, Herr Konnert?« Sie bot ihm mit einer knappen Handbewegung den Besucherstuhl an und setzte sich hinter den Schreibtisch. Zurückgelehnt sah sie dem Kommissar fragend ins Gesicht.
»Mir ist ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen. Sie sollen den Sachverhalt von mir selbst und nicht gerüchteweise hören.« Konnert schilderte ausführlich die nächtliche Situation und informierte auch über das Gespräch mit seinem direkten Vorgesetzten. Je länger er sprach, desto deutlicher spürte er eine zunehmende Anspannung bei der Staatsanwältin. Mal schob sie ihre Hände übereinander auf den Tisch, dann zog sie sie zurück und versteckte sie vor seinen Blicken, um sie wenige Momente später wieder an den alten Platz zu legen.
Er beendete seinen Bericht und sagte: »Kriminaloberrat Wehmeyer ist der Meinung gewesen, ich solle mir den Nachmittag heute freinehmen und morgen mit der Todesermittlung Renate Dreher fortfahren. Ich werde aber erst Ihre Entscheidung abwarten.«
Nervös blickte Frau Lurtz-Brämisch an Konnert vorbei im Raum umher. Sie schwieg. Die Stille zog sich hin. Dann hatte sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen. »Ich diskutiere diese Angelegenheit bei meinem nächsten Treffen mit Ihrem Vorgesetzten. Das Ergebnis unserer Besprechung wird Ihnen dann mitgeteilt.«
Kann ich jetzt gehen, überlegte Konnert, oder kommt noch etwas? Er blieb sitzen.
»Das habe ich bislang nicht erlebt«, in ihrer Stimme schwang so etwas wie Empörung und gleichzeitig auch Verwirrung, was Konnert zusätzlich irritierte. »Dass ein Mitarbeiter freiwillig seinem Vorgesetzten die Fehleinschätzung einer Situation und deren Folgen berichtet.« Mit beiden Händen umklammerte sie die Tischkante und drückte ihren Rücken durch. »Normalerweise wird versucht, Fehler zu vertuschen oder zu bagatellisieren, sie mit widrigen Umständen zu entschuldigen und wenn das nicht funktioniert, wird die Schuld anderen in die Schuhe geschoben. Selbstanzeigen kommen so gut wie nie vor.« Nach einer erneuten Pause fügte sie schroff an: »Tun Sie einfach das, was Ihr Vorgesetzter Ihnen gesagt hat.«
Sie erhob sich ruckartig, ging zur Tür, öffnete sie und deutete so an, dass ihr Besucher nun gehen könne.
Auf dem Weg zum Auto fragte sich Konnert, warum die Staatsanwältin so nervös und zum Schluss barsch geworden war.
***
Es wurde eng vor dem Lappan. Einige Passanten schlängelten sich schon zwischen den Tischen und Sesseln vorm Café Baldini hindurch. Andere drängelten sich schimpfend an der zunehmenden Zahl der Demonstranten und Neugierigen vor dem Glockenturm vorbei. Niemand hatte Verständnis dafür, dass die Stadtverwaltung die Versammlung an dieser recht engen Stelle der Langen Straße überhaupt genehmigt hatte.
Aus Lautsprechern auf dem Podium dröhnten populäre Volkslieder. Ungefähr zwanzig Personen mit Plakaten standen im Kreis um die provisorische Bühne herum. Obwohl die Veranstaltung noch nicht begonnen hatte, versuchten schon einige Jugendliche mit roten Trillerpfeifen die Musik zu übertönen. Vom Heiligengeistwall aus näherten sich die Teilnehmer einer kirchlichen Gegendemonstration. Sie bildeten eine Menschenkette und probierten, sich zwischen die Kundgebungsteilnehmer und die Schaulustigen zu schieben. Es gelang ihnen nicht. Das Gedränge war zu dicht.
Als Dr. Jens Pauschler ans Mikrofon trat, skandierten seine Anhänger zur Einstimmung: »Straße fegen! Der Dreck muss weg! Straße fegen! Der Dreck muss weg! Straße fegen! Der Dreck muss weg!«
Aus dem Block der Jugendlichen erschallte die Parole: »PsS muss weg! PsS muss weg! PsS muss
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