Teuflische Stiche
konnte.
Ostermontag, 1. April
Es waren warme, angenehme Ostern gewesen. Konnert saß zum Abschluss der Feiertage, wie immer mit einer Decke über den Knien, auf seiner Terrasse. Einen dampfenden Kaffeebecher hatte er neben sich auf dem Gartentisch abgestellt. In der Hand hielt er eine frisch gestopfte Straight Army Billiard mit großem, geradem Kopf, längerem Holm und flachem Mundstück. Sein Blick ging zum Komposthaufen, und er erinnerte sich daran, wie er am Samstag den Rasen vertikutiert hatte. Moos und Mulch waren jetzt entfernt. Das Gras konnte wieder frei atmen. Er fummelte sein Feuerzeug aus der Hosentasche und steckte den Tabak in Brand. Genüsslich sog er den Rauch ein. Er hatte eingekauft, Wäsche gewaschen, und Maria und Zahra waren am Samstagabend zum Grillen gekommen. Maria hatte von Burkina Faso erzählt. In ihren Schilderungen klang das Heimweh nach ihrer großen Familie in Afrika an.
Konnert blies einen Rauchring in den Himmel.
Am Sonntagmorgen hatten Maria und Zahra ihn in aller Herrgottsfrühe abgeholt und waren mit ihm nach Bremen gefahren.
In der anfangs unbeleuchteten Kirche feierte die afrikanische Gemeinde mit der deutschen einen gemeinsamen Ostergottesdienst. Am Beginn bestimmten die getragenen Lieder aus dem lutherischen Gesangbuch die Stimmung. Doch je heller es wurde, desto deutlicher drückten die afrikanischen Gesänge die Auferstehung Jesu aus. Im Anschluss an den Gottesdienst gab es ein reichhaltiges Osterfrühstück, bei dem nicht nur bunte Eier und Weißbrot angeboten wurden. Das war ein guter Start in den Tag gewesen, erinnerte sich Konnert.
So sehr er Maria akzeptierte, wäre es ihm danach lieber gewesen, wenn er den Tag allein mit Zahra hätte verbringen können. Aber die war so stolz auf ihre Mama. Und wenn sie Konnert angeschaut hatte, dann hatte er ein glückliches Leuchten in ihren Augen gesehen. Sie hatte sich rechts und links eingehakt und darauf bestanden, dass sie im Gleichschritt gingen. Konnert bemerkte die erstaunten, manchmal skeptischen Blicke der Spaziergänger im Bürgerpark. Im Restaurant auf dem Campingplatz am Stadtwaldsee bot die Kellnerin »der jungen Dame mit ihren Eltern« einen Tisch am Panoramafenster an.
Am späten Nachmittag war er mit dem Zug zurückgefahren. Auch beim Abschiedskuss meinte er, verstohlene Blicke im Nacken zu spüren. Oder habe ich mir das alles nur eingebildet?, fragte er sich jetzt und paffte weiter dicke Rauchwolken über den Rasen.
Er dachte an seine Tochter, die ihn am Abend mit Zollstock und To-do-Liste besucht hatte. Ich freue mich, dass sie wieder wie früher aktiv und zuversichtlich ihr Leben in die Hand nimmt. Für die letzte Aprilwoche hat sie den Umzug geplant. Seine Unsicherheit, ob sein Angebot, sie bei sich einziehen zu lassen, die beste Lösung für ihn war, war geblieben. Aber man kann alles auch noch einmal ändern, tröstete er sich, qualmte weiter und hoffte, dass am Ende alles gutgehen werde.
Der Abendwind wurde böiger. Konnert stand auf, besah seinen Rasen und entschied, dass er Dünger kaufen wollte. Es muss doch möglich sein, hier einen dichten Grasteppich heranzuziehen. Bloß muss ich dann regelmäßig mähen. Ich überlege mir das noch mal mit dem Dünger. Beim Auskratzten seiner Pfeife musste er selbst über seine Unentschlossenheit lächeln. Asche soll ja auch wertvolle Mineralstoffe enthalten, sagte er sich.
***
Ihm fiel die Decke auf den Kopf. Freiherr Sibelius Balthasar von Eck ertrug es einfach nicht, in seiner Wohnung wie ein Gefangener auf Strümpfen laufen zu müssen. Er hatte nicht geduscht. Auch sein tägliches Staubsaugen hatte er wegen der Geräusche unterlassen und nur schnell gewischt, während nebenan der Fernseher lief. Es ekelte ihn auch, dass sein Abfallkorb überquoll. Es drängte ihn, endlich Essensreste und Unterwäsche, Papierhandtücher und Verpackungen zu entsorgen. Er musste raus an die frische Luft, die Weite spüren, Schritte gehen, bei denen er kräftig auftreten konnte.
Er riskierte den Ausbruch, wie er es empfand, eine Stunde vor Mitternacht. An der spaltbreit geöffneten Tür horchte er in den Flur. Aus der Wohnung nebenan hörte er eine fremde Stimme und hin und wieder ein herzhaftes Lachen. Fernsehen. Gegenüber müsste Nick doch schon schlafen. Aber es waren Ferien. Lugte er in den Flur?
Erst als alles im Haus still geworden war, wagte er es, hinaus auf den Flur zu treten. In der einen Hand einen blauen Müllbeutel und die Henkel einer Plastiktüte und darüber
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