Teuflischer Pakt - Thriller
von unten hat mich hereingelassen.«
»Die alte Hexe.«
»Ich möchte mit Ihnen reden. Darf ich kurz reinkommen?«
Ein hörbarer Seufzer war die Antwort. »Hören Sie, ich bin gerade erst von der Arbeit nach Hause gekommen und dabei, mir die Haare zu waschen. Was wollen Sie?«
»Ich bin auf der Suche nach einem Mann namens Alex Fleming. Ich habe gehört, Sie kennen ihn.«
Alex lief zur U-Bahn-Station Stockwell und erwischte die Victoria Line in Richtung Norden. Die meisten Menschen im
Wagen schienen den Abend in der Stadt verbringen zu wollen. Er fühlte sich seltsam losgelöst, wälzte alles, was Tim gesagt hatte, in seinem Kopf hin und her und versuchte erneut, sich daran zu erinnern, worüber er und Joe geredet hatten. Sie hatten ausführlich über die E-Mails gesprochen, aber er war sich sicher, dass das Wort Erpressung nicht einmal gefallen war. Vielleicht hatte Tim recht. Vielleicht wollte Joe ihn nicht beunruhigen, doch er hatte nicht das Gefühl gehabt, dass Joe etwas Unangenehmes von ihm fernhalten wollte. Vielleicht war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass Erpressung dahinterstecken könnte, oder er hatte den Gedanken gleich wieder verworfen. Wie Tim war auch Joe dagegen gewesen, zur Polizei zu gehen, aber schließlich hatte er nicht gedacht, dass man ihn umbringen würde.
Am Oxford Circus folgte er einer Gruppe japanischer Studenten aus dem Wagen und die Rolltreppe hinauf, bahnte sich einen Weg zur Bakerloo Line und bestieg ein paar Minuten später den Zug in Richtung Kensal Green, wo er wohnte. Eigentlich hatte er vorgehabt, direkt nach Hause zu gehen, sich auf dem Weg etwas zu essen zu holen und eine DVD anzuschauen in der Hoffnung, dass sein Mitbewohner Paddy wie üblich lange arbeitete. Doch als der Zug in den U-Bahnhof Warwick Avenue einfuhr, überlegte er es sich anders, verließ seinen Platz und hechtete auf die Türen zu, wobei er beinahe die Einkaufstasche einer Frau umstieß.
Wenige Minuten später stand er auf der kleinen Brücke und schaute über den Kanal zu Joes Boot hinüber. Keine Scheinwerfer, keine Polizei, keine gaffenden Passanten. Alles wirkte wieder ganz normal. Er überquerte die Brücke und lief bis zu Joes Boot, wo er am Geländer stehen blieb. Ein breites, doppelt gespanntes, blau-weißes Absperrband der Polizei trennte den Eingang vom Treidelpfad zum Boot ab. Die schmale Doppeltür zur Kabine war mit einem Brett und einem Vorhängeschloss
gesichert, und ein offiziell aussehender Zettel klebte daran. Die Vorhänge waren offen, doch im Innern war es dunkel, und in dem dämmrigen Abendlicht konnte er drinnen nichts erkennen.
Auf dem Deck standen noch der Tisch und die Stühle, und einen Moment lang sah er sich und Joe dort sitzen: Joe mit halb geschlossenen Augen, eine selbstgedrehte Zigarette zwischen den Fingern, die nackten Füße auf der Reling. Er erinnerte sich an die warme Luft, die Ruhe und die Farbe des Himmels, als sie zusahen, wie das Licht über dem Wasser schwand. Sie hatten eine gute Stunde da draußen gesessen, bis es zu kalt wurde und sie hineingingen. Dann hatte Joe zwei Tiefkühlpizzas in den Ofen geschoben und eine alte CD von R. E. M. aufgelegt. Sie hatten sich an den kleinen Tisch gesetzt, den Joe als Schreibtisch benutzte. Joe hatte den Stapel Papiere auf den Boden gelegt, als wären sie unwichtig, und eine große, pinkfarbene Kerze angezündet, die der Besitzerin des Bootes gehörte. Plötzlich fiel ihm ein, dass Joe davon gesprochen hatte, für ein paar Monate nach Thailand zu fahren, und ihn gefragt hatte, ob er mitkommen wolle. Er hatte sogar angeboten, den Flug zu bezahlen. Alex schluckte schwer. So vieles hatte sich in so kurzer Zeit verändert.
»Hallo, Sie da.«
Er erschrak. Es war eine Frauenstimme, schrill und durchdringend. Er drehte sich um, blickte suchend den Kanal hinunter und sah eine schlanke, blonde Frau auf dem Dach eines der anderen Boote stehen. Sie winkte ihm zu.
»Ja, Sie. Haben Sie mal eine Minute?«
Sein erster Gedanke war: Habe ich etwas falsch gemacht? Eine instinktive Reaktion, die auf seine Kindheit zurückging. Er schaute sich um, doch außer ihm war niemand zu sehen. Er blinzelte, um sie besser erkennen zu können, und sie winkte erneut. Sie meinte definitiv ihn. Braun gebrannt stand sie da
in der Sonne, in einem weißen, kurzärmligen T-Shirt und ausgewaschenen Jeans, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, inmitten eines Meeres aus bunten Blumentöpfen. Wenigstens hatte sie nichts mit der Polizei zu tun.
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