Teuflischer Pakt - Thriller
Vielleicht ist es bloß ein Versehen. Es irritiert mich nur, dass sie ein Detail durcheinandergebracht hat.«
Er löste den Artikel und begann zu lesen:
VERMISSTE MENSCHEN
Was tun wir, um sie zu finden?, fragt Anna Paget.
Und erneuert ihre Forderung
nach einer nationalen Datenbank.
Als Kirstie Jensons sterbliche Überreste vergangene Woche in einem flachen Graben neben der vielbefahrenen A4 in der Nähe von Marlborough, Wiltshire, gefunden wurden, endeten für ihre Eltern, John und Diane Jenson, elf Jahre des Wartens. Jetzt müssen sie nicht mehr auf einen Anruf lauschen oder das Geräusch ihres Schlüssels in der Tür oder in der Menschenmenge auf der Straße nach ihrem Gesicht suchen. Der Alptraum ist vorüber. Obwohl ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden sind, wissen sie nun endlich, wo ihre Tochter all die Jahre war.
Die vielversprechende Studentin wurde zuletzt gesehen, als sie am 31. Oktober 1999 vor einem Nachtklub im Zentrum von Swindon zu einem unbekannten Mann ins Auto stieg. Hätte nicht ein ortsansässiger Autofahrer bei strömendem Regen am Straßenrand gehalten, um sich zu erleichtern, würde sie immer noch vermisst. In den letzten elf Jahren sind unzählige Menschen an dieser Stelle vorbeigerauscht, ohne zu ahnen, wer dort lag. Ein ernüchternder Gedanke. Wie viele von uns fahren täglich unwissend an den Überresten eines vermissten Menschen vorbei? Auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule, zum Einkaufen oder in den Pub oder in ein Restaurant …
Jedes Jahr werden in Großbritannien beinahe eine Viertelmillion Menschen als vermisst gemeldet. Fast alle werden
innerhalb eines Jahres gefunden, dreiviertel davon in den ersten achtundvierzig Stunden. Aber je länger jemand vermisst wird, desto geringer ist Untersuchungen zufolge die Wahrscheinlichkeit, dass er jemals gefunden wird. Und doch erreichen nur wenige die Schlagzeilen der Zeitungen und die Öffentlichkeit, die helfen könnte, sie zu finden. Der Rest fällt einfach durchs Raster. Noch schlimmer ist, dass mehr als die Hälfte der zweitausend, die jedes Jahr für immer verschwinden, für tot gehalten wird. Das sind über zehntausend Menschen, deren Tod nicht nachgewiesen ist, seit Kirstie Jenson in das falsche Auto stieg. Wo sind sie? Und was tun wir, um sie zu finden?
Es sind ganz junge Menschen und sehr alte, und die Gründe für ihr Verschwinden sind vielfältig. Das bedeutet, es gibt nicht den einen Weg, sie zu finden. Und es trübt den Blick auf die Dinge, die getan werden müssen, um die derzeitige Situation zu verbessern. Dazu kommt, dass nicht alle Menschen, die verschwinden, der Polizei gemeldet werden. Doch wenn man die Studien betrachtet, fällt einem eines auf: Rund zwei Drittel derjenigen, die jedes Jahr vermisst gemeldet werden, sind unter achtzehn, und davon sind doppelt so viele Mädchen wie Jungen. Selbst wenn sie nicht entführt wurden, welche Chance haben diese Kinder, auf Dauer zu überleben, wenn sie erst einmal vom Radarschirm verschwunden sind? Und was ist mit ihren Familien und Freunden, die im Ungewissen sind? Was tun wir für sie?
Jennifer Collins einzige Tochter Laura verließ vor fünf Jahren eines Morgens ihr Zuhause, um zur Schule zu gehen, und wurde nie wieder gesehen. »Das Aufwachen ist jeden Morgen eine Qual, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf«, sagt sie. »Ihr Zimmer ist genauso, wie sie es verlassen hat, und wartet auf sie, sollte sie jemals wieder nach Hause
kommen.« Sie beschreibt ihr Leben als Warteschleife. Ihre Ehe zerbrach ein Jahr nachdem ihre Tochter verschwunden war, dann verlor sie ihre Arbeit und hatte einen Nervenzusammenbruch. »Ich lebe von einem Tag auf den anderen und warte nur darauf, dass es etwas Neues gibt. Ich weiß, es ist unwahrscheinlich, dass es eine gute Nachricht ist, aber ich hoffe immer noch. Das Schlimmste ist, nicht zu wissen, was mit Laura geschehen ist.«
Für einige wenige gibt es ein Happy End. Sabine Dardenne und Laetitia Delhez wurden aus den Klauen des pädophilen belgischen Mörders Marc Dutroux gerettet. Jaycee Lee Dugard aus den USA wurde achtzehn Jahre nachdem sie an einer Schulbushaltestelle entführt wurde lebend gefunden. Solche Fälle geben all den verzweifelten Eltern vermisster Kinder Hoffnung. Obwohl John und Diane Jenson Kirstie nie wieder sehen werden, haben sie, verglichen mit anderen, Glück. Wenigstens wissen sie endlich, was geschehen ist. Für die Mehrheit wird es diese Gewissheit nie geben. Und doch kann eine Menge getan werden, um die
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