Teuflischer Sog
leisteten. Das war kein gutes Zeichen.
Juan fand eine Treppe, sah kurz um die Ecke und wagte sich, als er sie leer vorfand, weiter vor. Er schlich hinauf, bis er den Boden des obersten Decks sehen konnte. Von seiner Position aus wirkte es verlassen, daher stieg er noch ein paar Stufen höher. Trotz der schwülen Luft fröstelte er in seiner nassen Kleidung.
Eine Gruppe von Leuten stand und kniete um eine liegende Gestalt. Cabrillo hatte das Gefühl, das Herz in seiner Brust stünde schlagartig still. Von den Argentiniern war nichts zu sehen, nur Passagiere waren im Saal, und mit wachsendem Grauen wurde ihm klar, wer dort lag.
Er verließ seine Deckung. Eine Frau schrie, als sie ihn auf die Gruppe zurennen sah, eine Pistole in der Hand. Andere wandten sich um, aber Juan ignorierte sie. Er drängte sich in den Kreis der Leute.
Max Hanley lag auf dem Rücken, Blut bedeckte eine Hälfte seines Gesichts und bildete eine schwarze Pfütze auf dem polierten Holzfußboden. Juan hob den Kopf seines Freundes an und presste die Finger auf der vergeblichen Suche nach einem Pulsschlag gegen seinen Hals. Überraschenderweise spürte er ihn jetzt – und kräftig dazu.
»Max«, brüllte er. »Max, kannst du mich hören?« Er blickte zu den Umstehenden hoch. »Was ist passiert?«
»Er wurde niedergeschossen, dann haben sich die Gangster eine Frau geschnappt und sind nach unten verschwunden.«
Mit seinem Rockschoß wischte Cabrillo das Blut weg und sah nun einen blutigen Streifen quer über Hanleys Schläfe. Die Kugel hatte ihn also nur gestreift. Max hatte wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung, und die Wunde müsste sicherlich auch genäht werden. Eigentlich sollte er sich dann aber schnell wieder erholen.
Juan erhob sich. »Bitte kümmern Sie sich um ihn.«
Er rannte die Treppe wieder hinunter, rasend vor Wut und vollgepumpt mit Adrenalin. Die Argentinier hatten sich der Belle von Backbord aus genähert, daher überquerte er das Schiff und wählte eine andere Treppe hinunter zum Hauptdeck.
Vor ihm erschien der Eingang, durch den er und Max vor Stunden den Heckraddampfer betreten hatten. Die Tür stand offen, und durch die Öffnung konnte er die dunkle Silhouette eines Mannes erkennen. Er rief etwas, und als der Mann sich umwandte und damit bestätigte, dass er eine Skimaske trug, feuerte Cabrillo zweimal auf seinen Oberkörper. Der Mann kippte nach hinten, knallte dumpf mit dem Kopf gegen irgendetwas und klatschte dann ins Wasser.
Einen Moment später heulten Bootsmotoren auf. Juan rannte zur offenen Tür und sah, wie sich das Zigarettenboot entfernte und eine weiß schäumende Kiellinie hinter sich her zog, während es beschleunigte. Er hob die Pistole im beidhändigen Combat-Griff, drückte jedoch nicht ab. Es war viel zu dunkel, um mehr erkennen zu können als undeutliche Schatten – und er durfte es nicht riskieren, Tamara zu treffen.
Dann beugte er sich vor, atmete heftig und bemühte sich, die Kontrolle über seine Emotionen zurückzugewinnen.
Er hatte versagt. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Er hatte versagt, und jetzt musste Tamara Wright dafür bezahlen. Er machte kehrt, wütend auf sich selbst, und schlug in maßlosem Zorn gegen einen Zierspiegel, der in seiner Nähe an der Wand hing. Sein Spiegelbild zersplitterte zusammen mit dem Glas, und Blut drang aus seinen Fingerknöcheln.
Juan machte einige tiefe Atemzüge, um sich zu sammeln und seinem Gehirn den Befehl zu geben, wieder rational zu denken. Die Liste von Gefälligkeiten, die er brauchte, um sich und Max aus diesem Desaster herauszuhelfen, war endlos lang.
Vorläufig war Max jedoch das Wichtigste. Er spürte, wie sein Mobiltelefon vibrierte, während er die Treppe hinaufstürmte. Aber er ignorierte es. Dass es das Bad im Fluss erstaunlicherweise überlebt hatte, war jetzt von einer derart geringen Bedeutung, dass dieser Gedanke Juan überhaupt nicht durch den Kopf ging. Das Gefühl, das dieses Schiff vermittelte, hatte sich verändert, und der Seemann in ihm sagte, dass der Kapitän der Belle die Fahrt gedrosselt hatte, um nach Vicksburg umzukehren, wo jeder diensthabende Cop auf sie warten würde.
Er würde mit Engelszungen reden müssen, um dem Gefängnis zu entgehen. Die Schüsse würden sich am Ende sicherlich als berechtigt erweisen, aber da waren immer noch die falschen Ausweise, die nicht registrierten Pistolen und die Tatsache, dass er und Max bei der Zollkontrolle gelogen hatten, um ins Land einreisen zu können. Deshalb zog Juan
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