Teuflischer Sog
Wasser. Geschwindigkeit siebzig Knoten. Sie haben gefeuert! Kontakt. Sonar. Zweiter Torpedo im Wasser.«
»Gegenmaßnahmen einleiten«, befahl Cabrillo.
Mark Murphy zauberte auf seinem Keyboard, und ein Rauschgenerator wurde aus einer Kapsel unter dem Kiel freigesetzt, blieb jedoch mit dem Schiff durch ein auslaufendes Kabel verbunden. Das Gerät erzeugte Geräusche, wie die Oregon sie machte, und sollte den Torpedo von dem Schiff weglocken.
»Der erste Torpedo kommt mit vollem Tempo. Der zweite ist langsamer geworden. Er geht in Stand-by.« Der chinesische Kapitän hielt sich einen seiner Fische in Reserve – für den Fall, dass der erste sein Ziel verfehlte. Das war eine kluge Taktik. »Entfernung zweitausend Yards.«
Im Gefecht entwickelt Zeit eine Elastizität, die den Gesetzen der Physik widerspricht. Minuten und Sekunden erscheinen austauschbar. Die winzigsten Momente können ewig dauern, während die längste Zeitspanne innerhalb eines Lidschlags verstreicht. Der Torpedo brauchte knapp über zwei Minuten, um die Distanz zu halbieren, aber für die Männer und Frauen im Operationszentrum war es, als würden Stunden vergehen.
»Wenn sie auf den Köder gehen, sollte es in sechzig Sekunden geschehen«, verkündete Linda.
Juan ertappte sich dabei, wie sich seine Muskeln verkrampften und er seinem Körper den Befehl gab, sich zu entspannen. »Okay, Eric, schalt den Antrieb aus und leg alles still.«
Die Maschinen liefen gleichmäßig herunter, und das Schiff wurde langsamer. Es würde mindestens eine Meile dauern, bis es völlig zum Stillstand kam. Aber das war nicht das Ziel. Sie wollten, dass der Torpedo sich ausschließlich auf den Rauschgenerator, den sie hinter sich her schleppten, konzentrierte.
»Dreißig Sekunden.«
»Nimm den Köder, Baby, schnapp ihn dir«, drängte Murph.
Juan beugte sich vor. Auf dem großen Monitor sah die See hinter der Oregon so dunkel und Unheil bringend wie eh und je aus. Und dann schoss ein Geysir, eine mächtige Wassersäule, von der Oberfläche hoch und stieg auf fast zwanzig Meter, bis die Schwerkraft die Explosionswirkung überwand und die Fontäne in sich zusammensank.
»Einen Fisch können wir streichen«, krähte Mark.
»Eric«, sagte Juan völlig ruhig, »mach eine Wende mit zehn Prozent Leistung auf den Düsen. Für eine Weile dürften die akustischen Signale ziemlich verzerrt sein, aber bleib so leise wie möglich. Waffenstation, Außenschotts öffnen.«
Mark Murphy ließ die beiden Torpedoklappen des Schiffes aufgleiten, während die Oregon langsam herumkam und den Bug auf das näher kommende U-Boot ausrichtete.
»Linda, was tut er gerade?«
»Er ist langsamer geworden, damit er lauschen kann, bleibt aber auf seiner Tiefe. Und der zweite Torpedo geistert noch da draußen herum.«
»Er will hören, ob wir sinken«, sagte Juan, »anstatt aufzutauchen. Mark, tu ihm den Gefallen.«
»Roger.« Er tippte Befehle in seinen Computer – eine elektronische Audiodatei wurde geöffnet. Die Lautsprecher waren am Schiffsrumpf befestigt und pumpten die Laute eines Schiffes im Todeskampf in den Ozean.
»Mir ist gerade etwas eingefallen«, sagte Cabrillo. »Wir sollten die Lautsprecher an eine Leine hängen, die wir unter dem Rumpf hinablassen können. Das wäre um einiges realistischer.« Er blickte zu Hanley hinüber. »Max, daran hättest du denken können.«
»Warum hast du nicht daran gedacht?«
»Hab ich doch gerade.«
»Ein bisschen spät für uns.«
»Du kennst doch das Sprichwort …«
»Besser spät als nie.«
»Nein. Es heißt, Waffenstation, beide Rohre abfeuern.«
Mark hatte sich durch das Wortgeplänkel nicht von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken lassen und startete nun die Torpedos, kaum dass der Befehl erfolgt war.
Komprimierte Luft blies die beiden zwei Tonnen schweren Marschwaffen aus ihren Rohren, während ihre Elektromotoren anliefen. Innerhalb weniger Sekunden rasten sie mit mehr als sechzig Knoten Geschwindigkeit ihrem Ziel entgegen. Cabrillo schaltete mittels des Keypad an seinem Sessel die vordere Kamera auf den Hauptschirm. Die Torpedos hinterließen eine Zwillingsspur aus weiß sprudelndem Wasser, während sie sich vom Schiff entfernten.
»Dieser zweite Fisch dürfte in etwa drei Sekunden hinter uns her sein«, sagte er zu Mark. »Öffne die vordere Kammer für die Gatlin-Kanone, und fahr sie hoch.«
Ein raffiniert getarntes Schott am Bug sprang auf, und die mehrläufige Mündung der Gatlin erschien. Das Laufbündel begann zu
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