Texas Queen
einen Mann küsst?”
“Es war nicht nur ein Kuss, und das weißt du so gut wie ich. Es war eine Aufforderung zum Tanz, aber auf diesen Tanz verzichte ich.”
Clay bückte sich und hob seine Reisetasche wieder auf. “Zum Tanz? So kann man es auch nennen.”
Verärgert ging Niki zum Haus zurück und führte Clay die Treppe hinauf. “Du kannst in Danis früherem Zimmer schlafen.” Sie deutete zu einer Tür. “Das dort ist das Bad.” Sie wies auf eine andere Tür. “Aber ich fürchte, du wirst es mit mir teilen müssen.”
“Mit dir?”
“Ja. Grandma schläft im größten Zimmer, und das hat ein eigenes Bad. Alle anderen teilen sich dieses Badezimmer.”
“Alle anderen? Sind das wir beide?”
Niki fand, dass das viel zu intim klang. “Ja, also …” Sie wandte sich halb ab. “Handtücher liegen im Regal hinter der Tür, und wenn du sonst etwas brauchst, such einfach in den Schubladen. Wir sehen uns morgen früh.”
“Na, da freust du dich sicher genauso drauf wie ich.” Er klang tatsächlich froh. “Ach, Niki, eines noch.”
“Was denn?”
“Du hast mir nicht erzählt, was du außer deiner äußerlichen Ähnlichkeit noch mit deiner Mutter gemeinsam hast.”
Langsam drehte sie sich wieder zu ihm. “Ich kenne dich nicht gut genug, um mit dir über meine Mutter zu reden. Da gibt es Dinge, die nicht einmal meine Schwestern wissen. Mir wäre es lieb, wenn du das Thema nicht mehr erwähnst.”
Er setzte seine Tasche ab. “Also schön. Gute Nacht, Niki. Und falls du es wissen willst: Im Mondlicht siehst du genauso gut aus wie bei Tag. Vergiss nicht, ab morgen bin ich einer eurer Arbeiter.” Militärisch grüßend legte er die Hand an die Schläfe und drehte sich um.
Nachdenklich sah sie ihm hinterher. Na klar, der große Rodeo-Champion wollte auf der Bar-K-Ranch ein einfacher Arbeiter sein! Seine Hauptaufgabe, dachte sie, liegt wohl eher darin, mir Kopfschmerzen zu bereiten.
Doch da irrte Niki sich. Clay freundete sich nicht nur auf Anhieb mit jedem an, den er traf, sondern er war auch eine große Hilfe bei der Arbeit. Mit Vieh und Pferden konnte er genauso gut umgehen wie mit Menschen.
Niki biss die Zähne zusammen und wandte sich ab, weil sie nicht mehr mit ansehen wollte, wie er einem Zwölfjährigen aus New Jersey zeigte, wie man ein Lasso schwingt. Der Junge würde nach dem Urlaub bestimmt vor all seinen Freunden damit prahlen, dass er den Umgang mit dem Lasso direkt vom Weltmeister gelernt hatte!
“Na, hast du Lust auf einen Ritt?”, flüsterte er Niki ins Ohr.
Sie zuckte zusammen. Verdammt, sie konnte es nicht ausstehen, wenn er sich so an sie heranschlich und sie erschreckte. “Nein”, sagte sie nur. “Ich will nicht ausreiten.” Hastig fügte sie hinzu: “Aber danke für das Angebot.”
Clay runzelte die Stirn. Er trug ein blaues Arbeitshemd, Jeans und alte Stiefel. Den weißen Stetson hatte er sich in den Nacken geschoben, und das dunkle Haar hing ihm jungenhaft in die Stirn.
“Ach, komm schon”, lockte er. “Alle reiten mit, da musst du dir doch keine Sorgen machen, dass ich …” Er zwinkerte. “Du weißt schon.”
Genau das tat sie aber, und sie errötete. “Das mit ‘du weißt schon’ wird es zwischen uns nicht mehr geben”, sagte sie entschieden. “Aber das meine ich gar nicht.”
“Sondern?”
“Ich reite nicht.”
Fassungslos sah er ihr in die Augen. “Wieso nicht?”
“Ich mag Pferde nicht.”
“Mach keine Witze! Jeder Mensch mag Pferde.”
“Das denkst du. Ich mag sie nicht, und deshalb reite ich nicht.”
“Aber …”
Sie sah ihm förmlich an, was ihm durch den Kopf ging. “Du meinst, wie ich dann Cowgirl-Queen werden will, nicht wahr? Siehst du, das passt nicht zusammen.” Sie ließ ihn einfach stehen und hatte zum ersten Mal den Eindruck, eine Auseinandersetzung mit ihm gewonnen zu haben.
Clay schenkte sich in der Küche ein Glas Wasser ein und trank es in einem Zug aus.
Tilly lächelte ihn an. “War es ein schöner Ausritt?”
“Ja.” So einigermaßen jedenfalls. “Übrigens, Mrs Collins, wieso mag Niki keine Pferde?”
Tillys Lächeln verschwand. “Tja, also …” Sie schien durch ihn hindurchzusehen, bevor sie einen Entschluss fasste. “Als sie vier oder fünf Jahre alt war, wurde sie ganz schlimm von einem Pferd überrannt. Das Tier war über einen Zaun gesprungen, um zu ihr zu kommen. Sie wäre damals fast gestorben. Ein paar Jahre später wollten ihre Schwestern ihr die Angst vor Pferden nehmen und haben sie auf
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