Texas Queen
Rindertreiber schon im letzten Jahrhundert gesungen hatten. Die Strophen waren den anderen Gästen zwar unbekannt, aber in den Refrain fielen sie alle ein.
Nach dem Lied spielte er noch ein paar Akkorde, die er immer schneller hintereinander spielte, bis er in übertriebener Erschöpfung die Hände sinken ließ. Die Gäste lachten, doch als er zu Niki sah, entdeckte er in ihrem Blick nur Verwunderung und eine Art Anerkennung.
Dieser Blick gefiel ihm, und um diesen Moment auszukosten, stimmte er schnell ein noch bekannteres Lied an, bei dem die meisten Gäste von Anfang an mitsingen konnten. Den dritten Song musste Clay so gut wie allein singen, weil anscheinend niemand den Text kannte. Als er sich abschließend verbeugte, klatschten alle in der Runde begeistert.
“Zugabe! Zugabe!”, rief die Frau aus Tulsa.
“Nur noch eins.” Clay holte tief Luft und sang “My Dearest Annie May”, ein bekanntes Liebeslied, in dem ein Cowboy seiner Angebeteten versicherte, dass er, obwohl er ihrer nicht würdig sei, über jeden Berg klettern und durch jedes Meer schwimmen würde, wenn er dafür von ihr einen zärtlichen Blick bekäme. Während des Singens sah er unverwandt zu Niki, und als das Lied zu Ende war, seufzte die Frau aus Tulsa.
“Meine Güte”, stieß sie aus und fächelte sich mit der Hand Luft zu. “Wenn ein Cowboy mir so ein Lied vorsingen würde, dann bekäme er mehr von mir als nur einen zärtlichen Blick. Viel mehr.”
Alle lachten, nur Niki nicht. Clay wurde immer noch nicht schlau aus ihrer Miene, und er nahm sich fest vor, herauszufinden, was dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte.
Niki blickte zu Clay, der neben ihr zur Küche ging und genau wie sie einen Berg von schmutzigem Geschirr trug. Sein unerwarteter Vortrag hatte sie völlig überrumpelt. “Du kannst sehr gut Gitarre spielen”, stellte sie höflich fest.
Von der Seite her sah er sie an. “Und wie hat dir mein Gesang gefallen?”
“Du kannst sehr gut Gitarre spielen.”
Sie mussten beide lachen, dann sagte sie: “Du hast mich wirklich überrascht.”
“Wieso?” Unbeholfen hielt er ihr die Küchentür auf, damit sie zuerst hineingehen konnte.
“Ich hätte nie gedacht, dass du musikalisch bist. Es stecken wirklich viele Talente in dir.”
“Und dabei hast du noch nicht einmal die Hälfte davon entdeckt.” Er stellte die Pfannen und Schalen auf die Spüle, dann nahm er Niki das volle Tablett ab und packte es auf die Anrichte. “Niki, ich möchte dich um etwas bitten.”
Nervös trat sie sofort einen Schritt zurück. “Um was denn?”
“Dass du mit mir reiten gehst.”
Er wirkte vollkommen ernsthaft, und Niki konnte ihn eine Zeit lang nur entgeistert ansehen, bevor sie die Worte wiederfand. “Auf einem Pferd?”, fragte sie ungläubig nach.
“Auf einer Ranch ist das so üblich, dass man dazu Pferde benutzt.”
“Nein.” Das war ihre einzige Antwort, bevor sie sich umdrehte.
“Aber …”
“Lass es gut sein, Clay.” Sie fuhr wieder zu ihm herum. “Ich habe eine Todesangst vor Pferden, und du brauchst mir überhaupt nichts zu erzählen. Ich diskutiere nicht darüber.”
“Wegen zwei schlechter Erfahrungen brauchst du doch nicht …”
“Du weißt gar nichts darüber, also bedräng mich bitte nicht. Wenn du dich mit mir weiterhin gut verstehen willst, dann …”
“Mehr als das, meine liebste Annie May.” Er trat dichter zu ihr, sodass er sie fast berührte. “Und ich sehne mich nach einem zärtlichen Blick.” Eindringlich sah er ihr in die Augen. “Das wäre ein Anfang.”
“Erzähl mir doch keinen Unsinn. Du willst, dass ich meine Meinung über diesen Wettbewerb ändere. Aber das werde ich nicht, Clay. Du vergeudest hier deine Zeit.”
Noch ein paar Zentimeter kam er näher. “Das glaube ich auf keinen Fall.”
Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. “Ganz wie du willst.”
“Ich vergeude keine einzige Minute meines Lebens, Niki, und das solltest du auch nicht.”
“Niki, bist du noch da drin? Ich möchte gern die Lichter ausschalten.”
Rasch entfernte sie sich ein paar Schritte und wandte den Kopf zur Tür zum Aufenthaltsraum. “Das erledige ich gleich, Grandma. Geh ruhig ins Bett.”
“In Ordnung. Dann gute Nacht.” Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: “Ihnen auch, Clay.”
Er lachte leise. “Gute Nacht, Mrs Collins. Schlafen Sie gut.”
Schweigend standen Niki und Clay voreinander. Die erotische Spannung war verflogen.
“Wenn du deine Meinung änderst, was das
Weitere Kostenlose Bücher