Texas
erreicht hatten, befahlen die beiden Hauptleute dem Jungen, oben auf der Leiter stehenzubleiben: »Stoß die Indianer runter, wenn sie versuchen, zu uns heraufzuklettern!« Und da stand er einen ganzen Tag lang, eine ganze Nacht und den größten Teil des folgenden Tages hindurch, während die Offiziere in die Menge hineinschossen und viele Indianer töteten. Aber ohne Nahrung und Wasser begannen die Spanier zu ermüden und wären möglicherweise bereit gewesen, sich zu ergeben, wenn nicht einer der Soldaten eine Idee gehabt hätte: Er machte ein Feuer im unteren Teil des Pueblos und bespritzte es mit Wasser, wodurch dichter Rauch entstand. Die halb erstickten Indianer mußten die Belagerung abbrechen. Sie formten mit den Unterarmen eine Art Kreuz und senkten die Köpfe - ein uraltes, von jedermann anerkanntes Zeichen friedlicher Unterwerfung. Es war allerdings erst dann verbindlich, wenn auch die Sieger ein Kreuz machten und die Köpfe senkten, aber das taten Melgosa, Lopez und Garcila9o gern. Die häßliche Belagerung war zu Ende.
Cardenas, der wütend über die Tötung seiner Pferde war, zeigte sich jedoch so entschlossen, die Macht der spanischen Krone zu demonstrieren, daß er seinen anderen Soldaten befahl, die Indianer, die sich ehrenvoll ergeben hatten, zu umstellen, dann sollten sie zweihundert hohe Pfähle, jeder zwei Meter hoch, zimmern und die Gefangenen daran lebendig verbrennen.
»Nein!« schrie Garcila9o auf, als trockenes Reisig um das erste Opfer aufgeschichtet wurde. »Wir haben ihnen unser Wort gegeben!«
Cárdenas in seiner Wut hörte nicht auf ihn. Garcila9o wandte sich an Melgosa und Lopez, die die Waffenruhe akzeptiert hatten. Aber sie verweigerten ihm ihre Unterstützung. Die Verbrennungen begannen.
Als die Indianer fünf ihrer Brüder am Brandpfahl vor Schmerzen schreien hörten, beschlossen sie, den Tod im Kampf zu suchen. Mit allem, was zur Hand war - Knüppeln, Steinen, den noch ungebrauchten Pfählen -, griffen sie die Spanier an. »Alle Spanier zu mir!« brüllte Cárdenas, und nachdem Melgosa und Lopez Garcilao rasch in Sicherheit gebracht hatten, kreisten die Soldaten das Gelände ein, auf dem die zweihundert Indianer gefangengehalten worden waren, und begannen sie mit Kugeln und Pfeilen zu beschießen, bis kein einziger Indianer mehr am Leben war.
Garcila9o war entsetzt - entsetzt über die Grausamkeit seines Helden Cárdenas und über die Feigheit seines anderen Helden Melgosa, der nicht bereit gewesen war, für die von ihm selbst angenommene Waffenruhe einzustehen. Er war fassungslos, als er sah, daß Coronado nichts unternahm, nachdem er von der schrecklichen Untat erfahren hatte. »Wir haben sie gelehrt, die spanische Ehre nicht anzutasten.« Das war alles, was er sagte.
Jetzt, da Coronado verwundet war, schwang Cárdenas sich zum Führer auf. Er war es, der das Schlachten der Tiere anordnete, um die Männer mit Fleisch zu versorgen. Wenn sie unter sengender Sonne oder in Sandstürmen durch Wüsten marschierten, war er es, der den Überlebenswillen der Armee aufrechterhielt, und wenn sich Gefechte mit Indianern als unvermeidbar erwiesen, war sein Pferd stets in der ersten Reihe zu finden. Wie sein General war auch er von der Gier nach Gold und Ruhm besessen; doch indem er wie ein echter Soldat seine Pflicht erfüllte, gewann er sich Garcila9os zunächst nur zögernd gewährten Respekt zurück.
Dann aber stieß ihm etwas höchst Unsoldatisches zu. Er brach sich den Arm, und als der Bruch nicht heilen wollte und das Heer sich auf den Weg machte, um die reiche Stadt Quivira einzunehmen, mußte er zurückbleiben.
An dem Morgen, als Coronado seinen Zug nach Osten begann - und das bedeutete: in die Katastrophe im Ödland, wenn er an seiner Absicht festhielt -, ließ er Garcila9o kommen. »Kannst du zählen, mein Sohn?«
»Ja, Herr. Und ich kenne auch alle Buchstaben.«
»Gut. Fang jetzt an und zähle jeden Schritt, den du machst. Wenn wir das nächste Lager aufschlagen, sag mir, wie viele du gezählt hast. Dann werde ich deinen Schritt messen und auf diese Weise erfahren, wie weit wir gekommen sind.«
So ging der Junge auf dem Marsch nach Quivira im Staub hinter den Pferden her und zählte: »Uno, dos, tres, cuatro.« Und immer, wenn er bei tausend ankam, machte er ein Zeichen auf ein Blatt Papier, das die Franziskaner ihm gegeben hatten.
Nach vielen solchen Tagen rechnete Garcila9o sich aus, daß die Expedition nun schon das Gebiet erreicht haben mußte, das
Cabeza de Vaca
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