Texas
anzusehen, so als wollten sie sagen: »Mönch, wo ist das Paradies, von dem du uns vorgeschwärmt hast?« Und Coronado selbst kam zu den Nachtrupps, wo Marcos sich versteckt hielt: »Guter Bruder, wie viele Tage sind es noch bis Cíbola? Wir gehen ja zugrunde.« Weil Garcila9o ganz in der Nähe seine Pferde striegelte, hörte er seinen Vater sagen: »Noch drei Tage, General. Ich verspreche es.« Den Jungen überlief es kalt, denn er wußte, daß sein Vater keine Ahnung hatte, wo sie sich befanden.
Aber noch einmal war das Glück dem Mönch hold, denn am 7. Juli 1540, hundertsiebenunddreißig Tage nachdem die Expedition Compostela verlassen hatte, kam ein spanischer Reiter, der ein Stück vorausgeprescht war, im Galopp zurück: »Cíbola! Die Sieben Städte! Dort drüben!«
Alle drängten sich vor, jeder wollte unter den ersten sein, die die Goldenen Städte zu sehen bekamen. Als sie eine Stelle erreicht hatten, die ihnen eine gute Aussicht gewährte, versanken die Männer jedoch in Schweigen, und so mancher von ihnen seufzte tief, als sich das klägliche Panorama vor ihnen entrollte: ein schäbiger Haufen schmutziger Häuser, ein von einer Lehmmauer umschlossenes Nichts.
»Madre de Dios!« flüsterte Cárdenas.
Coronado rief barsch: »Wo ist Fray Marcos?« Der zitternde Frater wurde herbeigezerrt und gefragt: »Ist es das, was Ihr gesehen habt, guter Bruder? Ist das Euer mit Türkisen und Silber bedecktes Cíbola? Sind diese elenden Hütten größer als die Stadt Mexico?« Noch bevor Marcos antworten konnte, begannen die Hauptleute zu fluchen und zu schimpfen: »Schickt ihn nach Hause!«
»Zeit, daß wir ihn loswerden!«
»Er ist ein Lügner, man kann ihm nicht vertrauen!«
Marcos wäre noch am gleichen Abend nach Mexico zurückgeschickt worden, hätte man ihn nicht für ein wichtiges Ritual gebraucht, ohne das das Heer nicht hätte weiterziehen können.
Es war das Requerimiento, das schon Jahrzehnte zuvor von König Ferdinand formuliert worden war - ein Edikt, wonach keine spanische Armee eine indianische Siedlung angreifen durfte, bevor nicht diese berüchtigte Erklärung religiöser Prinzipien »mit lauter, klarer Stimme« vorgetragen worden war.
Es war ein bemerkenswertes Dokument, das die religiösen und politischen Führer Spaniens in den ersten Jahren der Eroberung ersonnen hatten, als man sich mit dem Problem herumschlug, wie man mit heidnischen Indianern verfahren sollte. Kirchenmänner und Rechtskundige arbeiteten eine Erklärung aus. Darin wurden den Indianern die Segnungen des Christentums und der Schutz der Krone angeboten - aber nur, wenn sie das Angebot sofort annahmen. Zögerten sie - und das taten sie immer, - so war ihre »Bekehrung« durch das Schwert gerechtfertigt.
Das Heer stand jetzt unmittelbar vor Cíbola. Coronado forderte Marcos auf, das Requerimiento vorzutragen. Der Mönch begann zu lesen, aber kein Indianer in der Stadt hätte diese fast geflüsterten Worte hören, geschweige denn verstehen können.
Fray Marcos rollte das Pergament zusammen, gab es zurück und verkündete: »Das Requerimiento wurde gewissenhaft verlesen. Das können alle bezeugen.«
»Frater«, wandte sich Coronado an den Mönch, »sind wir nach dem Gesetz jetzt ermächtigt, anzugreifen?« Und Marcos erwiderte so laut, daß alle Hauptleute es hören konnten: »Jesus Christus befiehlt euch, anzugreifen!« Die Schlacht begann.
Es war eine blutige Schlacht. Coronados Rüstung funkelte so einladend in der Sonne, daß die Indianer von der Stadtmauer riesige Felsbrocken hinunterwarfen, die ihn von seinem weißen Pferd schleuderten, so daß er wehrlos und unbeweglich auf dem Boden liegenblieb.
Cardenas warf sich über ihn und fing den größten Teil des Steinregens auf. Als Garcila9o das sah, warf er sich über Coronados Kopf und wurde gleich darauf von vier großen Steinen getroffen, die den Kommandanten sonst wohl erschlagen hätten.
Zerschunden lauschte Garcila9o an diesem Abend den süßesten Klängen, die ein Mann damals zu hören bekommen konnte: dem Lob für sein beispielhaftes Verhalten in der Schlacht. »Er war so tapfer wie ein gestandener Fußsoldat«, rief Melgosa, aber der größte Augenblick für den Jungen kam, als Cardenas, selbst schwer verwundet, seine Hand ergriff: »Ohne dich hätte ich ihn nicht retten können.«
Da der verwundete Coronado an sein Lager gefesselt war, übernahm Cardenas das Kommando. Seine erste Entscheidung verkündete er mit lauter Stimme: »Marcos muß unsere Expedition
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