Thanatos
nicht vielleicht jemand meinen Sohn zu seiner Mutter bringen?«
Verdutzte Mienen verwandelten sich bald in überglückliche, und mit einem Mal waren Than und Regan von allen Seiten umzingelt. Sie umarmten einander, es wurde gelacht, und irgendjemand reichte Regan einen Bademantel. Than zog sich aus der Menge zurück, um ihr ein wenig Zeit mit Kynan und Decker zu lassen, aber er beobachtete sie genau, als Cara das Baby hereinbrachte und Regan reichte, der Frau, die geschworen hatte, dass sie nicht dazu geboren war, Mutter zu sein. Sie das Kind in die Arme und brach in Tränen und Lächeln aus.
»Gratuliere.« Die grollende, unbekannte Stimme stammte von dem Mann, der neben Thanatos getreten war, während der Regan beobachtet hatte.
Er wandte sich zu dem Vampir um, den er im
Underworld General
gesehen hatte. Der Kerl war fast groß genug, um Than geradewegs in die Augen blicken zu können. Schwarzes Haar fiel in einem dichten Vorhang bis zu seiner Taille, aber der grausame Zug um seinen Mund brachte garantiert jeden dazu, es sich zweimal zu überlegen, ob er ihn deswegen aufziehen wollte. Jeden, bis auf Than.
»Wenn du hier bist, um Ärger zu machen, Tagwandler, dann wisse, dass ich dich ebenso leicht töten kann, wie ich dich erschaffen habe.«
»Vor einem Jahr«, erwiderte dieser langsam, »hätte es Ärger gegeben.«
Thanatos blickte zu Regan. Es wärmte ihm das Herz, wie sie ihren Sohn hielt, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als Babys zu knuddeln. »Was hat sich geändert?«
»Ich.« Er streckte die Hand aus, was ziemlich seltsam erschien, wenn man bedachte, dass Than irgendwann sein Blut getrunken hatte, und das höchstwahrscheinlich gegen seinen Willen. »Ich bin Vladlenas Gefährte. Nathan.«
Thans Körper versteifte sich, als eine verschwommene Erinnerung in ihm aufstieg. Es war vor … zweihundert Jahren gewesen. »Diese Gasse …«
Than hatte gegen einen Dämon gekämpft, und in seinem Rausch der Blutgier hatte er einen Mann entdeckt, der entsetzt zugeschaut hatte, und ihn angegriffen.
»Jepp. Ich habe dich letztes Jahr im
Underworld General
gesehen und in dir meinen Erschaffer erkannt.«
»Dann arbeitest du also doch dort? Eidolon hat mich belogen?«
Nathan schüttelte den Kopf. »Nein, ich arbeite nicht dort. Ich gehe nur in das Krankenhaus, um Lena zu sehen. Wenn Eidolon dir nicht erzählt hat, dass er mich kennt, dann liegt das daran, dass ich alle, die wissen, was ich bin, gebeten habe, mein Geheimnis zu bewahren. Ich habe schon früh erfahren, dass Nachtkriecher Tagwandler zu hassen scheinen.«
»Und umgekehrt«, sagte Than etwas gequält. Der Gebrauch des Begriffs »Nachtkriecher« war ihm durchaus nicht entgangen.
Eine breite Schulter hob sich zu einem gleichmütigen Achselzucken. »Ich war als Patient in dem Krankenhaus, als ich dich zum ersten Mal sah, und als Lena mir sagte, du seiest einer der Reiter, glaubte ich schon, ich hätte mich geirrt.« Sein Blick traf mitten in Thans Schuldbewusstsein. »Dann sah ich dich vor ein paar Tagen wieder, als ich Lena ihr Mittagessen brachte, und es bestand kein Zweifel mehr.«
Also, wenn das nicht peinlich war. Than musste wohl noch eine ganze Menge Tagwandler suchen, um sich bei ihnen zu entschuldigen. Oh, natürlich würde er alle die töten, die vorgehabt hatten, sich auf Pestilence’ Seite zu schlagen und seinen Sohn zu töten, aber mit den anderen würde er gern einen Neuanfang wagen. Sie mussten nicht mehr fürchten, dass er sie töten oder zwingen würde, ihm zu dienen.
Er räusperte sich, was seine Zerknirschung jedoch nicht beseitigte. »Es tut mir wirklich leid, was ich tat.«
»Ich habe dich lange Zeit gehasst«, gab der Vampir freimütig zu. »Aber jetzt möchte ich dir meinen Dank anbieten. Ich wurde in einem Ausmaß gesegnet, das ich nicht in Worte fassen kann.«
Thanatos wandte sich wieder zu Regan um, die sein war, bis sein biblisches Siegel brach, was hoffentlich in weiter, weiter Ferne lag. »Ich auch, Nathan. Ich auch.«
Reaver könnte für das, was er vorhatte, schrecklichen Ärger bekommen. Ach was, er könnte schon Ärger bekommen, weil er nur hier war.
Hier
war Sheoul-gra, das Auffangbecken für die Seelen von Dämonen und bösen Menschen. Es handelte sich um eine dunkle, dunstige Höhle, deren Bewohner hart wie Stein und grausam wie ein soziopatischer Teenager waren. Hier war niemand glücklich.
»Engel.«
Reaver ignorierte das Zischen und die Beleidigungen, die ihm von den ihn umgebenden
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