Thanatos
Dämonen um die Ohren flogen, und trat zu dem Sprecher vor, der auf einer Basaltplattform stand, eine Peitsche in der Hand, von der Blut herabtropfte. »Hades.«
Hades zog eine schwarze Augenbraue in die Höhe. »Wessen Schwanz hast du gelutscht, um die Erlaubnis zu erhalten, hierherzukommen? Azagoth steht jedenfalls nicht auf die schwule Tour. Ich hab’s versucht.«
Was Derbheit anging, gab es wirklich nichts Schlimmeres als einen gefallenen Engel. Aber ja, Reaver war gezwungen gewesen, Azagoth aufzusuchen, um eingelassen zu werden. Welchen Preis Reaver dafür entrichten würde, musste noch festgelegt werden.
»Es spielt keine Rolle, wie ich hergekommen bin. Ich nehme nicht an, dass du einen Neuankömmling namens Gethel zu deinen Gästen zählst?«
»Ist sie heiß?« Als Reaver ihn nur ausdruckslos anstarrte, verdrehte Hades die Augen. »Ist ja schon gut. Keine Gethel.«
Verdammt. Dann war sie also noch am Leben. Und wer wusste, welches Unheil sie im Reich der Menschen anrichten würde, bis Reaver wieder zurück war.
»Nächste Frage: Wo ist Reseph?«
»Reseph?« Hades’ Augen wurden leer und kalt wie eine Klinge, die im Schnee liegen gelassen worden war. »Seine Leiche liegt in der Höhle hinter mir. Sein Geist … keine Ahnung, wo der sich rumtreibt.«
Reaver ging auf den Höhleneingang zu, ein weit aufgerissener Schlund mit Zähnen, von denen Blut herabtropfte. Ein bösartiges Knurren ließ Reaver innehalten. »Sag ihm, er soll mich durchlassen, Hades.«
Hades erschien an Reavers Seite. »Hineinzukommen ist keine Kunst, Engel. Hinauszugelangen, darin besteht das Problem.«
»Warum hast du Reseph dort drin?«
»Maximale Schmerzen. Ein Befehl von Azagoth. Du wirst schon verstehen, wenn du ihn siehst. Er ist keine Seele wie die, die du hier um dich herum siehst. Er kann nicht wiedergeboren werden. Er ist so, wie er immer war. Bis auf den Verstand.«
»Das bedeutet also gute Nachrichten, vermischt mit schlechten.«
»Ist das nicht immer so?«
»Ja, Gefallener. Das ist es wohl.« Reaver betrat die Höhle. Sofort war er vom fauligen Gestank der Verwesung umschlossen. Behutsam suchte er sich seinen Weg zwischen halb aufgefressenen Leichen hindurch … die nicht wirklich tot waren. In Sheoul-gra starb nichts. Jedes Wesen litt, bis – und falls – es in einem anderen Körper wiedergeboren wurde. Offensichtlich konnten die Kreaturen hier drin nicht hinausgelangen und wurden langsam verdaut.
Während er weiterging, stieg das Jammern und Klagen der Opfer vom schwammigen, blutgetränkten Boden auf. Vor ihm zerrissen Schreie die Luft, und die Härchen in Reavers Nacken richteten sich auf. Er trieb sich selbst an, schneller zu laufen, ohne sich noch zu bemühen, die sich windenden Körper unter ihm zu umgehen. Seine Stiefel zermalmten Rippen, Gliedmaßen, Schädel.
Irgendwo vor ihm steckte Reseph in Schwierigkeiten.
Als er den Reiter schließlich sah, erkannte er, dass
Schwierigkeiten
nicht das passende Wort war.
Reseph kauerte auf dem Boden in einer Pfütze aus Blut – vermutlich sein eigenes –, hielt sich den Kopf und kreischte. Ein Auge fehlte, und Reaver war bald klar, dass Reseph es sich selbst ausgekratzt hatte. Ein weiterer Schrei drang aus dem Mund des Reiters, und er warf sich mit solcher Gewalt rückwärts gegen die Felswand, dass Blut spritzte und Reaver Knochen brechen hörte.
»Blut … so viel Blut … Klauen, Pfoten, Köpfe … gefickt … ich hab sie gefickt … Tränen, Schreie, oh verdammt … dieser Schmerz …«
Resephs Gestammel wurde immer wieder von Schreien unterbrochen; immer wieder warf er sich gegen die Wand und fügte sich mit den eigenen Nägeln tiefe Wunden zu.
»Reseph.« Reavers Stimme war kaum mehr als ein Flüstern; seine Gefühle überwältigten ihn dermaßen, dass er kaum sprechen konnte. Er hatte Pestilence gehasst, hatte sich gefragt, was er wohl fühlen würde, wenn er Reseph wiedersah, und jetzt wusste er es. Es tat furchtbar weh. »
Reseph
.«
Keuchend wandte Reseph Reaver sein Auge zu. Verwirrung blitzte in den blutunterlaufenen Tiefen auf, und dann Entsetzen. Reseph fuhr herum und krabbelte davon, kroch an der Wand entlang, in dem Versuch zu entkommen.
»Nein«, krächzte er. »Nein. Brechende Knochen und zerrissene Gedärme …«
Reaver war mit einem Satz bei ihm, packte den Reiter bei den Schultern und zwang ihn, stillzuhalten. »Hey. Ganz ruhig. Ich bin’s, Reaver.«
»Nein … nein. Ich –« Reseph zuckte zurück, versuchte zu entkommen, aber
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