THARKARÚN – Krieger der Nacht
Eleganz seines Volkes, das daran gewöhnt war, sich leise und anmutig zu bewegen. Er hatte feine, aber dennoch markante Gesichtszüge – charakteristisch für die Elben, die in der Nähe des Meeres wohnten. Obwohl Gavrilus achthundert Jahre alt war und damit doch schon bald die tausend Jahre erreicht hatte, an denen das Leben eines Elben endete, war er noch eine stattliche Erscheinung, denn das Alter hatte weder seinen Geist noch seinen Körper gebeugt.
Die seit seiner Jugend weißen Haare hingen ihm lang, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden über den Rücken und seine eisblauen Augen leuchteten klar und eindringlich aus dem trotz seines Alters immer noch schönen, nur von einigen Falten durchzogenen Gesicht. Er trug schlichte Kleidung in Weiß und Gold, mehr Ritter als König, hatte sich einen cremefarbenen Umhang über die Schultern geworfen und die Hosen in braune Lederstiefel gesteckt. Nur der schmale rotgoldene Reif auf seinem Haar verriet, dass er der König war. Dennoch flößte sein
Anblick sofort Respekt ein. Selbst seine eigenen Kinder hatten in ihm immer zuerst den König und dann erst den Vater gesehen. Gerade die Schlichtheit seiner äußeren Erscheinung, gepaart mit dem energischen Funkeln in seinen Augen, ließ ihn so beeindruckend wirken.
Sein ältester Sohn Alfargus hatte einen Gutteil der angeborenen väterlichen Majestät geerbt, obwohl bei ihm statt Altersweisheit jugendliches Feuer vorherrschte. Alfargus war gerade erst dreihundert Jahre alt geworden, ein stattlicher junger Mann mit energischen Gesichtszügen und funkelnden Augen, mutig, intelligent und aufbrausend. Er wusste ungestüme Pferde zu bändigen, da sie ihm so ähnlich waren. Und er war schön.
Alfargus hatte die gleichen weißen Haare wie sein Vater und die dunklen Augen seiner Mutter. Er trug ein rotes Gewand und einen schwarzen Umhang, in einer Mischung aus Achtlosigkeit und Bescheidenheit. Der junge Mann wusste genau, wie stark und klug er war, und ohne dass er deshalb arrogant war, glaubte er fest an seine Ideen. Dennoch verfiel er nicht dem Irrtum, sich für unfehlbar zu halten. Er war entschieden, aber weder dumm noch stur, wusste seine eigene Kraft einzuschätzen und ging keiner Herausforderung aus dem Weg. Er hatte Macht, aber man hatte ihn gelehrt, sie nicht zu missbrauchen. Alfargus wusste zu urteilen und gerecht zu sein, unbeugsam zu bestrafen, zu verstehen und Gnade zu üben. So gesehen verfügte er über alle Tugenden, die ein Volk von seinem künftigen Herrscher erwartet, und deshalb liebten ihn die Bewohner des Elbenreiches.
Sein Vater war stolz, einen solchen Erben zu haben. Außerdem genoss Alfargus die uneingeschränkte Bewunderung seines Bruders. Dhannam war fest davon überzeugt, dass die Elben in Alfargus den bestmöglichen Herrscher bekommen würden, und er beneidete ihn keineswegs darum, der Erstgeborene zu sein. Er behauptete, Alfargus sei – ganz im Gegensatz zu ihm – für die Rolle des Königs wie geschaffen. Schließlich besäße er selbst nur einen Bruchteil der Tugenden seines Bruders und deshalb wäre
es mehr als gerecht, dass Alfargus einmal über das Reich herrschen würde.
Dhannam, der jüngste Sohn des Königs, war eher ruhig und zurückhaltend und ging allen Problemen aus dem Weg. Er liebte die Einsamkeit, auch die ein wenig melancholische von Winter-abenden, und schätzte alles, was schön und zart war: das Zittern von Schmetterlingsflügeln, einen Tautropfen auf einem Blütenblatt … Sosehr Alfargus Feldherr war, war Dhannam Dichter. So wie sein älterer Bruder großen Idealen anhing, schätzte der jüngere die kleinen Dinge und die bescheidenen Freuden im Leben. Der eine war für glanzvolle Paraden und rauschenden Beifall geboren, der andere zog das Halbdunkel eines Innenhofes bei Sonnenuntergang vor und die Stille, die nur ein leiser Harfenklang durchdrang.
Auch in ihrer äußeren Erscheinung unterschieden sie sich sehr: Alfargus war groß und muskulös, Dhannam zart und gelenkig, der eine hatte einen schneeweißen Lockenschopf, die Haare des anderen waren lang, glatt und spielten ins Mahagonibraune. Alfargus’ dunkle, eindringliche Augen sprühten Feuer, während Dhannams blaue Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte, auch dessen kalten durchdringenden Blick hatten. Aber so unterschiedlich sie auch waren – die Brüder hatten sich seit jeher gut verstanden: Jeder interessierte sich dafür, was der andere tat, ohne in seinen Bereich einzudringen. Dhannams Gelassenheit
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