THARKARÚN – Krieger der Nacht
keine genauen Einzelheiten, nicht all eure Namen oder eure Gesichter, obwohl ich schon das eine oder andere wusste. Seit ich auf Adamantina weile, habe ich Wache gehalten und nur darauf gewartet, dass ihr oder wer auch immer eure Aufgabe erfüllen sollte, einträfet. Denn alles, was geschehen ist, jetzt geschieht und in Zukunft geschehen wird, steht bereits in der Großen Zeitrechnung geschrieben. Als Talon Adamantina erschuf und mich zu ihrem Wächter bestimmte, wusste er bereits, dass ihr eines Tages hierherkommen und neue Kräfte benötigen würdet, um euren Feind zu schlagen. Und so habe ich auf euch gewartet.« Er richtete sich auf.
»Doch jetzt hat die Zeit des Wartens ein Ende und es ist Zeit zu handeln. Wenn der Magus erlaubt, sollten wir uns unverzüglich wieder auf den Weg machen. Wir werden die Festung bald erreichen und dort könnt ihr euch gemeinsam mit euren Gefährten ausruhen.«
Er drehte sich um und verschwand, ein Liedchen auf den Lippen, im Wald.
Thix drehte sich ungläubig zu Ametista um. »Da-das kann er doch nicht sein«, stammelte er.
Ametista zuckte mit den Schultern. »Ich wüsste nicht, wer er sonst sein sollte«, gab sie müde zurück.
EINUNDZWANZIG
A M ENDE DES kaum erkennbaren Weges, den Dan Ree und der Magus, ohne zu zögern, eingeschlagen hatten, wurde hinter den Bäumen eine weite Ebene sichtbar. Im Gegensatz zu der Landschaft vorher war der Boden hier lehmig und kahl, kein Baum oder Strauch waren zu sehen. Thix wunderte sich, dass ihm diese Gegend, die so nah an ihrem Lager gelegen war, nicht aufgefallen war. Aber als er darüber nachdachte, begriff er, dass der Ort zumindest für sie nicht existiert hatte, obwohl sie bestimmt hier vorbeigekommen waren: Vielleicht lag es nur an der Anwesenheit von Dan Ree, der gelassen an der Spitze ihrer kleinen Gruppe voranschritt, dass sie ihn jetzt sehen konnten, oder am Magus, der mit der verzierten Lanze in der Faust den Zug beschloss. Thix blieb kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn als die Bäume sich lichteten und man einen freieren Blick hatte, bot sich ihren Augen ein so unglaublicher Anblick, dass sie alle nur noch stehen bleiben und staunend dorthin starren konnten.
Vor ihnen erhob sich die Festung Adamantina. Sie war so gewaltig, dass Thix überhaupt nicht begreifen konnte, wie ein derartiges Bauwerk so lange Zeit von allen acht Völkern unbemerkt bleiben konnte. Ein hohe Befestigungsmauer aus rotem Stein, die im Sonnenlicht golden schimmerte, ragte mächtig in den Himmel, das schwere Holztor darin stand offen, und dahinter führte eine gepflasterte Allee hinauf zu der riesigen Burg aus demselben
rötlichen Gestein. Ihr Grundriss war quadratisch und an allen vier Ecken reckten sich hohe Türme so weit nach oben, dass sie fast den Himmel zu berühren schienen. Zu beiden Seiten des Tores flatterte eine leuchtend rote Fahne. Innerhalb der Mauer erstreckte sich ein üppiger Garten mit geometrisch angeordneten Bäumen und Hecken, in deren Mitte ein Brunnen sprudelte. Dieser Ort strahlte Ruhe und gleichzeitig Stärke aus, wie ein großes schlafendes Raubtier, das im Moment noch friedlich dalag, doch – einmal erwacht – seine unvergleichliche Kraft beweisen würde.
Als sie Dan Ree kennenlernten, hatte er davon gesprochen, wie lange er auf sie gewartet hatte – jetzt kam es Thix so vor, als gelte das nicht nur für den Unsterblichen, sondern für die ganze Festung. Dieses Bauwerk mochte so alt sein wie die Reiche selbst, und es erinnerte Thix an die Orte aus den Träumen, die man zu kennen glaubt und die doch so ganz anders sind, als man dachte. So war Adamantina: Diese Festung schien die Summe aller Orte der Welt in sich zu vereinen und war doch keiner von ihnen.
Rundherum herrschte Stille, die so absolut war, dass das Geräusch ihrer Schritte auf dem Pflaster fast der Schändung eines heiligen Ortes gleichkam. Thix bemerkte flüchtig, dass Dan Ree, immer noch an ihrer Spitze, völlig lautlos über den steinernen Weg lief. Sein Schritt war so leicht, dass er kaum den Boden zu berühren schien. Vielleicht war er während seiner langen Wacht auch einfach so sehr Teil dieser Festung geworden, dass er nun auch deren Stille teilte.
Dan Ree blieb bei dem großen Portal der Burg stehen, setzte seine Last am Boden ab und drehte sich zur kleinen Gruppe um, die kaum zu atmen wagte. »Seid willkommen«, sagte er und neigte den Kopf. Bei dieser Bewegung drehte sich das große Tor in der Befestigungsmauer geräuschlos in den Angeln und
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