THARKARÚN – Krieger der Nacht
Um keinen Preis der Welt wären sie aufgebrochen, wenn sie geahnt hätten, wie die Geschichte ausgehen würde. Ganz egal, welchen Lohn man ihnen gezahlt hätte. Doch es würde keinen Lohn geben, weder für ihn noch für seine Gefährten, die wie gelähmt vor dem Stein standen, denn keiner von ihnen würde das fünfte Zeitalter erleben, das mit ihrem Tod seinen Anfang nehmen würde.
Thix sah nach unten, den Blick der anderen würde er nicht ertragen können.
Zwar hatten sie sich nie zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet, doch mit der Zeit war aus ihnen eine verschworene Gemeinschaft geworden, und Thix glaubte, die fieberhaften Gedanken der anderen lesen zu können. Überlegten sie sich einen Ausweg? Doch es war unmöglich, die Festung zu verlassen, die magischen Siegel waren mit Sicherheit erneuert worden, aber das war nicht der einzige Grund,Thix wusste das so gut wie alle anderen.
Es war nicht die Erschöpfung nach den Strapazen der langen Reise, deren einziges Ziel sie jetzt endlich erreicht hatten, auch nicht die Furcht, die Prüfungen, die sie durchlaufen hatten, auf dem Rückweg noch einmal bewältigen zu müssen, und es war auch nicht die Angst, die ganze Straße wieder zurückgehen zu müssen, die Straße hinab in den Schatten, die Straße ohne Wiederkehr.
Sie konnten einfach nicht aufgeben. So widersinnig der Auftrag von Anfang an auch war, das Schicksal der acht Völker in die Hände der acht Schlimmsten der Schlimmen zu legen: Die Mission musste zu Ende geführt werden. Niemand der acht würde den Saal verlassen, bevor er nicht seine Pflicht erfüllt hatte.
Sie hätten es sich nicht erklären können, aber es war so.
Der Stein auf dem Sockel schien nach ihnen zu rufen. Lag es an der langen, beschwerlichen Reise, lag es an Adamantina und den magischen Waffen der Götter oder am Magus? Oder war es der bisher nie gefühlte Wunsch der Geächteten, zu den neuen unsterblichen Helden der acht Völker zu werden?
» Unser Blut«, wiederholte Thix. Die anderen zuckten zusammen, hoben den Kopf und starrten den Elben an, alle mit der gleichen Entschlossenheit in den Augen. »Bis zum letzten Tropfen, oder?«
Der Magus nickte feierlich. »Bis zum letzten Tropfen.«
Plötzlich hallte ein Schrei durch die unmögliche Stille, der Schrei einer Frau: Ametista. Aber es war nicht der Verzweiflungsschrei eines Wesens, das den Tod nicht akzeptieren wollte, ganz im Gegenteil. Das war der stolze laute Schrei der Kriegerin, die
sich zum letzten Mal in die Schlacht wirft, und es lag ein Lächeln auf ihren Lippen, als sie ihr Schwert zog und es Morosilvo unvermittelt in den Leib rammte.
Der Schmerz war seltsam und fühlte sich nicht einmal für Morosilvo unangenehm an. Mit letzter Kraft griff er in die Wunde, aus der Ametista gerade ihre Klinge gezogen hatte, und streckte die blutüberströmte Hand nach dem Stein aus. Ja, jetzt konnte er ihn berühren, seine Finger erreichten die sonderbare weiße Oberfläche und empfanden sie als glatt und eiskalt wie tausend Jahre Tod. Das Blut tropfte auf den Stein, es zischte und eine kleine Rauchwolke stieg auf. Morosilvo spürte, wie die schwarze Magie, die dort drinnen eingesperrt war, unter seinen Fingern wie wild pulsierte. Er sah zu Ametista hinüber; er hätte so viel zu sagen gehabt, aber er schwieg.
»Ich habe dir doch versprochen, dass ich dich töten würde«, sagte die Faunin lächelnd.
Richtig, das hatte sie ihm versprochen und sie hatte ihr Versprechen gehalten. Sie alle hatten ihre Pflicht erfüllt, das erste und gleichzeitig das letzte Mal in ihrem Leben als Gesetzlose.
Mit trüben Augen sah Morosilvo, wie Ametista das blutbesudelte Schwert gegen ihren Bauchnabel richtete und zustieß. Dann ließ sich die Faunin gegen den Sockel sinken, sodass sich das aus ihrer Wunde sprudelnde Blut auf dem Stein verteilen konnte. Morosilvo Dan Na’Hay, ein Held, der sein Leben opfert!, dachte er noch. Wer hätte das je gedacht?
Dann fand er sein Lächeln wieder, bevor er sich der Dunkelheit überließ.
SIEBENUNDSECHZIG
D ER MORGEN GRAUTE, aber dieses Mal brachte er keine Erleichterung. Womöglich würde nie wieder ein neuer Morgen voller Hoffnung aufziehen. General Asduvarlun war gefallen, der eiserne General, der alles zusammengehalten und sie bis zum letzten Moment beschützt hatte. Das Schwert Ligiya war zerbrochen. Der Menschenkönig war schwer verletzt und kaum mehr am Leben, Brennus Astair trug ihn auf seinen Schultern, kämpfte wie ein Besessener und schwang dabei die
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