THARKARÚN – Krieger der Nacht
Tharkarún fallen gelassen hatte. Weil er so ungebremst auf den Nekromanten losgestürmt war, hatte Dhannam angenommen, dass er ein magisches Schwert besäße, und hatte aus demselben Grund geglaubt, dass seine Waffe wie Ligiya mit dem Tod seines Besitzers zerbrochen wäre, doch es lag unversehrt auf der zerwühlten braunen Erde des Schlachtfelds. Dhannam betrachtete die Waffe aus der Nähe und da stockte ihm der Atem.
Er kannte dieses Schwert, er hatte es schon gesehen, und zwar
mehr als einmal. Es wirkte alt, abgenutzt und unscheinbar, nur die Schneide blitzte. Die beiden Kerben auf der Schneide waren wohl beim Gebrauch der Waffe entstanden und zeugten weniger von der Zahl der damit getöteten Feinde. Der Griff war aus einfachem Stahl und eine stilisierte Schlange war darin eingraviert. Eine gewöhnliche, wenig auffallende Waffe, aber gut gepflegt. Doch warum hatte er bei ihrem Anblick so heftig reagiert? Wo hatte er dieses Schwert davor schon einmal gesehen?
Plötzlich schoss ihm ein Bild durch den Kopf: der Saal der Erinnerung in Astu Thilia, wo die Familienerbstücke aufbewahrt wurden. Er war noch ein Junge und Alfargus hatte ihn in den Saal geführt und ihm all das gezeigt, was die alten Könige hinterlassen hatten. Alfargus hatte Dhannam vor die Vitrinen geführt und begeistert Geschichten über jedes Stück zum Besten gegeben – Geschichten, die man sich in den Pausen zwischen den anstrengenden Trainingseinheiten mit General Asduvarlun wohl immer wieder erzählt hatte. Da war zum Beispiel der magische Stab des Königs und Zauberers Senofan Sulpicius, mit dem er die Mauern Astu Thilias verzaubert hatte. Oder ein weiteres Erbstück aus fernen Zeiten: der durchstoßene Wappenschild eines Vorgängers von König Sarandon, der noch nicht einmal aus der Linie der Sulpicius stammte. Er hatte diesen Schild getragen, um sich gegen ein ganzes Heer von Feinden zu verteidigen, und es hatte dreißig Angriffen standgehalten, bevor es gebrochen war.
Vielleicht hatte es Alfargus Spaß gemacht, in seinen Geschichten etwas zu übertreiben, denn das, was er erzählte, klang oft ganz und gar unglaublich. Bei ihrem Rundgang durch den Saal hatte er sich die Vitrine in der Mitte des Saals für den Schluss aufgehoben. Als sie schließlich dort ankamen und Alfargus’ Blick auf den unscheinbaren Gegenstand fiel, der dort ausgestellt wurde, brannte ein leidenschaftliches Feuer in seinen großen dunklen Augen. Seine Stimme klang feierlich, fast ehrfürchtig, als er dem jüngeren Bruder erklärte: »Das ist Cailín, die Ehrenvolle, das Schwert, das die Ritter der Finsternis für Sarandon Sulpicius geschmiedet haben.«
Sarandons legendäres Schwert. Das Auge der Schlange auf dem Griff bestand aus einem roten Steinchen, und Dhannam meinte, dort ein seltsames Funkeln auszumachen, als sei das Schwert ein lebendiges Wesen, ausgestattet mit einem Bewusstsein, das sie bemerkt und erkannt hatte. Doch dann hatte er wieder Alfargus’ faszinierender Geschichte gelauscht. Sein Bruder hatte erzählt, wie der größte aller Elbenkönige das Schwert vom Großmeister der Ritter der Finsternis überreicht bekommen hatte, um damit die acht Völker zu beschützen und es in tausend blutigen Kämpfen gegen die Gremlins zu führen. Schlachten, in denen das Leuchten der unbesiegbaren Klinge Cailíns für die Verzweifelten die letzte und einzige Hoffnung war.
Als später der Magus erschienen war und das Opfer der acht Zauberer den lang ersehnten Frieden bescherte, hatte der weise Sarandon Cailín niedergelegt und verkündet, dass es jetzt nicht mehr gebraucht würde. Es könne als mahnendes Symbol für die vergangene Zeit dienen, in der Angst und Schrecken die acht Reiche gegeißelt hatte. Seinem Wunsch folgend, hatten seine Nachfolger, die Söhne der Dynastie des Sulpicius, das mächtigste Schwert, das jemals geschmiedet worden war, über die Jahrhunderte in Ehren gehalten und sorgfältig gepflegt, was allerdings nicht allzu schwer war, denn die ihm innewohnende Magie hatte ausgereicht, es unbeschadet durch die Zeit zu bringen. Sie hatten es nie mehr im Kampf geschwungen, denn Cailín war zum Schutz der acht Völker gegen die drohende Gefahr geschmiedet worden und so eine Gefahr hatte es lange Zeit nicht gegeben.
»Und es wird auch nie wieder benutzt werden?«, hatte Dhannam damals fast ein wenig bedauernd gefragt. »Denn die Gefahr wird nie mehr wiederkehren, nicht wahr, Alfargus?«
Im Nachhinein betrachtet hatte Alfargus’ Gesichtsausdruck bei der
Weitere Kostenlose Bücher