THARKARÚN – Krieger der Nacht
wirkte ungewöhnlich ernst, als er sagte: »Aber wir sind noch nicht am Ende, Shaka. Wir haben unseren Auftrag noch nicht erfüllt und den Stein zerstört. Los, schreiten wir zur Tat.«
Mit diesen eindringlichen Worten ging er auf den Weißen Stein zu. Die anderen folgten. Schweigend bildeten sie einen Kreis um den achteckigen Sockel, so wie damals, als Dan Ree die Geschichte von Tharkarún erzählt hatte. Die Geschichte, die sich in diesem Saal, zwischen diesen schwarzen, unergründlichen Wänden abgespielt hatte, die so viel Leid und Qualen gesehen hatten. Das Martyrium eines heldenhaften Elben, dessen Name in Vergessenheit geraten war und der von allen am meisten gefürchtet wurde. Niemand fragte, wer den Stein als Erstes berühren und vom Sockel entfernen sollte, das war auch nicht nötig. Die acht griffen gleichzeitig danach, und alle wussten, dass es nur so richtig sein konnte. Der Magus beobachtete sie schweigend.
Morosilvo versuchte sich vorzustellen, wie sich der Weiße Stein anfühlen würde, doch es gelang ihm nicht, selbst seine blühende
Fantasie reichte dazu nicht aus. Mit einem Kloß in der Kehle streckte er die Hand hin zu der seltsam milchigen Oberfläche, doch auf halbem Weg stieß er gegen einen unsichtbaren Widerstand, den er nicht durchdringen konnte.
Sein Blick suchte die Gesichter der Gefährten, die sich verwundert und verlegen anschauten. Wie war das möglich? Der Weiße Stein befand sich direkt vor ihnen, aber sie konnten ihn nicht berühren. Irgendetwas schirmte ihn ab, er war von einer magischen Schutzwand umgeben.
Seitdem sie den Saal betreten hatten, schienen ihre Gedanken im Gleichklang zu laufen, ganz anders als auf ihrem langen Weg, und deshalb wandten sich jetzt alle wie auf einen unausgesprochenen Befehl zum Magus um. Dieses Mal würden sie es nicht hinnehmen, wenn er schwieg, jetzt verlangten sie eine Antwort. Auch wenn er ihnen vieles bis zum letzten Moment verschwiegen hatte, jetzt musste er sprechen.
»Ihr könnt den Stein nicht bewegen«, sagte er mit fester Stimme. »Sie haben ihn am Sockel verankert, so fest, dass selbst Tharkarún ihn nicht mitnehmen konnte, als er die Festung verlassen hat. Niemand ist stark genug, um den Weißen Stein von dem Ort zu entfernen, an dem er abgelegt wurde.«
»Dann müssen wir den Sockel eben in die Luft sprengen«, schlug Pelcus vor, auf ihn war Verlass. Doch so einfach war es dieses Mal nicht, und das wusste der Zwerg auch, denn wenn man genau hingehört hatte, klang sein Vorschlag auch etwas halbherzig.
Der Magus schüttelte den Kopf. »Ihr müsst den Stein zerstören, ohne ihn vom Sockel zu holen«, verkündete er mit würdevoller Stimme. Es klang, als würde Anman selbst ein Urteil fällen, schonungslos und unwiderruflich. »Ihr habt von Anfang an gewusst, dass es das Ziel eurer Mission ist, den Weißen Stein zu zerstören, und trotzdem habt ihr euch nie gefragt, wie das gelingen soll, obwohl euch klar war, dass eine Axt, eine scharfe Klinge, ein Feuer oder Sprengstoff nicht genügen würden. Vielleicht, weil ihr im
Grunde eures Herzens die Lösung schon wusstet und genau aus diesem Grund hat die Prophetin euch und niemand anderen auf diese Reise geschickt. Habt ihr euch nie gefragt, warum ihr jetzt hier seid?«
Wieder war es Thix, der antwortete: »Die acht Besten haben sich geopfert, um den Stein zu erschaffen«, flüsterte er kaum vernehmbar, während allen die schreckliche Wahrheit klar wurde. »Und die acht Schlimmsten müssen sich opfern, um ihn zu zerstören! «
Shaka hatte recht, es gab kein »danach«, jedenfalls nicht für sie. Sie würden diesen Saal nie wieder verlassen.
Der Magus nickte unerbittlich. »Es gibt nur eine Substanz, die das Material, aus dem der Weiße Stein besteht, zersetzen kann«, erklärte er und es war offenkundig, wie schwer es ihm fiel, weiterzusprechen. Er wusste, dass sie ihm nie gefolgt wären, wenn er ihnen von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte. Jetzt mussten sie tun, wofür sie hierhergekommen waren, auch wenn er sie benutzt hatte. Diese letzte Prüfung hätte er ihnen gerne erspart. Aber er konnte es nicht. »Und das ist Blut«, zwang er sich zu sagen. » Euer Blut.«
Bleischwere Stille machte sich breit.
Sie mussten sterben. Das Opfer, das von ihnen verlangt wurde, war der Tod.
Man hatte sie getäuscht, dachte Thix, aber das war zu erwarten. Verlasse dich nie auf das Wort von Herrschern und Mächtigen. Und auch nicht auf Abgesandte der Götter. Keiner sagt jemals die ganze Wahrheit.
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