THARKARÚN – Krieger der Nacht
beiden, hob das Zepter der Macht und erklärte: »Der Rat der Zwölf wird einberufen werden und wir werden ihm enthüllen, was geschehen ist. Ob euch Strafe gebührt, darüber behalte ich mir jedoch die Entscheidung vor. Und mein Entschluss steht schon fest.«
Also wurde der Rat der zwölf zusammengerufen. Sie nahmen auf ihren goldenen Stühlen Platz, Anman in ihrer Mitte. Rechts von ihm saß Valdo, mit seiner bronzenen Lanze und der türkisfarbenen Mähne, die ihm über die nackte Brust fiel. Links von ihm saß Sirdar, ernst und mit bedecktem Haupt, seine Augen schimmerten silbern und er schwieg beharrlich. Die Sitze von Kentar und Darni blieben leer, denn sie standen ja beide gesenkten Hauptes vor dem Rat. Darni war noch immer in schwarze Gewänder gehüllt und ein weiter dunkler Umhang verbarg ihren Körper. Kentar legte seinen Schmiedehammer zu Anmans Füßen ab. Beide gestanden ihre Schuld und baten wieder, man solle sie bestrafen und von der Insel und aus der Welt verbannen.
Da sagte Valdo: »Schwer ist die Schuld, denn ein altes Gesetz ist gebrochen worden. Was sollen die Götter jetzt tun? Die verletzte Welt schreit nach Gerechtigkeit, die Schuldigen verlangen selbst nach ihr. Sollten wir so anmaßend sein, uns selbst nicht zu strafen?«
Anman antwortete nicht. Sein Blick verlor sich in der Unendlichkeit, denn sein Geist sieht und begreift viele Dinge aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die sogar den andern elf verborgen bleiben.
Da sagte Sirdar: »Kentar und Darni wurden nicht von ihrem eigenen Willen gelenkt, sondern von dem des Schicksals. Seit langer Zeit stand geschrieben, dass dies geschehen wird. Sie waren
nur Werkzeuge des Schicksals, und das hätte jedem von uns geschehen können. Und was für Götter wären wir, wenn wir nicht vergeben könnten, wenn ein Sünder um Verzeihung bittet für eine Schuld, die er nicht zu verantworten hat?«
Anman schwieg weiter. Dann stand er auf und erhob das Zepter. Er wirkte so groß und erhaben, dass alle ihr Haupt vor ihm beugten. »Das Schicksal hat es so gewollt«, sagte er mit laut tönender Stimme. »Wir waren darauf vorbereitet. Wenn es also eine Schuld gegeben hat, ist sie uns durch die Prophezeiung vergeben. Wir wussten, dass es geschehen musste, und nun ist es geschehen. Wir sollten jetzt nicht an die Vergangenheit denken, sondern an die Zukunft.Vielleicht haben wir bis jetzt die Welt gebraucht, um uns an ihr zu erfreuen, doch nun wird sie uns brauchen, damit sie gerettet werden kann. Darni!«, rief er. Sie eilte zu ihm. »Zeig ihnen die Zukunft! Ich befehle es dir!«
Darni ging in die Mitte des Raumes, richtete sich auf und warf den schwarzen Umhang ab, der sie bedeckte. Und da sahen alle, dass sie schwanger war.
»Das ist die Zukunft«, sagte Anman, »und wir dürfen jetzt nicht mehr an den Umstand selbst denken, sondern müssen seine Folgen ins Auge fassen. Sollen wir eine schwangere Frau verjagen? Warum? Jetzt haben wir nicht mehr das Recht, die Frucht, die in ihrem Leib heranwächst, zu töten, selbst wenn sie Böses hervorbringt. Es war uns erlaubt, ihre Entstehung zu verhindern, und wir sind gescheitert. Ich sagte euch am Tag, als wir sie schufen, dass die Welt das Recht habe zu existieren, was auch immer ihre Existenz mit sich bringe. Heute sage ich euch: Was auch immer im Bauch unserer Schwester heranwächst, hat das gleiche Recht zu leben, ganz egal, ob es gut oder böse sein mag.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Doreah.
»Wir werden der Welt helfen«, erklärte Anman, »soweit es in unserer Macht steht. Vergesst nicht, dass das Böse nicht nur Böses mit sich bringt, sondern auch die Geburt der Völker, und unsere
Aufgabe wird es sein, sie zu beschützen. Und wir werden alles für sie tun, was uns erlaubt ist.«
Da sprang Kentar auf, griff nach seinem Hammer, richtete seine wilden blauen Augen auf die goldenen undurchdringlichen des Allmächtigen und sagte: »Du hast vergeben, und das werden wir dir nicht vergessen. Wir werden uns dieser Vergebung würdig erweisen. Doch wir sind unrein geworden und durch einen unauslöschlichen Makel entehrt. Ich werde Darni zur Frau nehmen, wir werden Adhon-dil verlassen, um als Verbannte durch die Welt zu ziehen. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um anderen zu helfen, und nicht eher zurückkehren, bis unser Makel abgewaschen sein wird, selbst wenn die Ewigkeit dafür nicht ausreichen sollte.«
Er nahm Darni bei der Hand, und niemand hielt sie auf, da Anman den anderen
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