Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
erkennen, wie sich Gras und Blätter im Wind bewegten und die kleine Gestalt da im Hintergrund bewegte sich auch! Das war erst nicht recht zu erkennen, doch die Gestalt kam näher und nach und nach ließen sich Einzelheiten erkennen. Als sie nahe genug gekommen war, folgte ihr das 'Fenster'.
Die Gestalt entpuppte sich als ein alter Mann, das Gesicht voller Runzeln. Haar und Brauen waren schlohweiß. Aber er hielt sich kerzengerade, wie er so dahin schritt. Und Schreiten musste man es nennen, obwohl es steil bergauf ging. Wenn Lumiggls Mutter ihm in seiner Kindheit Märchen vom Königreich der Jahreszeiten erzählt hatte, hatte sich Lumiggl immer vorgestellt, König Winter müsse genau so aussehen. Natürlich müsste König Winter einen Hermelin und eine Krone tragen, nicht nur einen einfachen Reisemantel und derbe Stiefel, aber sonst stimmte alles.
„König Winter inkognito“, murmelte Lumiggl.
„Der Vergleich passt“, die Dryade war zu ihm getreten. „Aber das ist kein König, das ist Yorick, der große Zauberer.“
„Der große Zauberer?“
„Genau der. Aber wir sind uns noch nicht einig, in welchem Teil Tharsyas er sich aufhält.“
„Da, seht ihr den Steinhaufen?“, rief plötzlich ein helles Stimmchen.
Alle wandten sich der Besitzerin dieser Stimme zu, einem zierlichen jungen Mädchen, das prompt errötete – sie war eine einfache Wald- und Wiesenfee und soviel Aufmerksamkeit einfach nicht gewöhnt.
„Was ist damit?“ fragte schließlich die Dryade freundlich.
„Diesen Haufen würde ich überall wiedererkennen“, behauptete die kleine Fee, nachdem sie ihre Verlegenheit überwunden hatte. „Er ist auf dem Weg zum unsichtbaren Berg, ganz sicher will er da hinauf. Der Weg führt direkt dorthin!“
Alle wandten sich wieder dem Bild zu. Nach einigen Schritten schien der Zauberer tatsächlich einen Schritt in die Luft zu machen. Da, etwa einen Viertelmeter über dem Erdboden blieb er stehen und blickte direkt zu seinen Betrachtern hinaus, schaute sie an. Voller Unmut machte er da eine heftige Bewegung mit seiner linken Hand und das Bild verschwand.
„Er hat's gemerkt.“
„Das war zu erwarten.“
„Und er scheint immer noch sauer zu sein.“
„Wir hätten damals nicht so oft schauen sollen.“
„Wisst ihr noch, wie ich immer gesagt habe, schaut nicht so oft nach ihm, aber ihr ...“
„Wir haben uns eben Sorgen gemacht.“
„Aber das ist doch schon Jahrhunderte her!“
„Yorick war schon immer nachtragend. Und er hat ein sehr gutes Gedächtnis.“
„Meine Damen“, wandte sich die Dryade mit sanfter, aber leicht erhobener Stimme an alle, wobei sie nur wenig die Stimme hob. „Wir wissen jetzt wenigstens, wo er steckt. Schade nur, dass wir ihm keine Nachrichten übermitteln können.“
„Ja, sehr schade.“
„Das wäre praktisch.“
„Gerade jetzt, wo uns allen das Ende droht ...“
„Nun“, ergriff die Dryade wieder das Wort, „dank unserer jungen Freundin hier“, sie nickte der zierlichen Fee zu, welche über das ganze Gesicht strahlte, während sich in den Mienen der anderen eine ganze Fülle von Gefühlen spiegelte, von Freude über die Freude der kleinen Fee, Wohlwollen, Desinteresse bis hin zu leichtem Neid, „wissen wir nun, wohin du gehen musst, Lumiggl. Es ist zum Glück gar nicht mal so weit weg von hier. Weg kann dich bis zum Fuß des unsichtbaren Berges bringen.“
„Wir wollen derweil tun was wir können, um die roten Drachen und ihre Verbündeten so lange wie möglich aufzuhalten.“
Die Dryade blickte fragend zu den anderen Feen. Keine rührte sich. Eigentlich sahen alle recht ratlos aus, weil sie nicht wussten, worauf die Dryade hinaus wollte. Die nahm das als Zustimmung und nickte zufrieden.
„Du wirst also allein gehen müssen, Lumiggl“, fuhr sie fort. „Aber wir werden dir ein Kleinod mitgeben, dass dich schützen und dir helfen soll, wenn du in Not bist.“
Sie wandte sich einer Tür zu, die sofort aufglitt.
„Was soll das heißen?“ Eine der Feen stürzte vor, um ihr den Weg zu vertreten. „Was willst du ihm denn geben?“
„Das Amulett.“
„Welches Amulett? Doch nicht etwa DAS Amulett?“
„Doch, genau das.“
„Aber das ist unser wertvollster Besitz!“
„Oh, ich denke, Leben und Freiheit sind noch ein klein wenig wertvoller.“
Diese Bemerkung der Dryade ließ ihre Gegnerin verstummen. Doch inzwischen war auch den anderen klar geworden, was vor sich ging.
„Nett, dass du uns auch mal fragst. Das Amulett gehört
Weitere Kostenlose Bücher