Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
sie sich gegenseitig an die Kehle springen.“
Bei dieser Vorstellung lachte die Fee hell auf: „Oh, ich hätte sie machen lassen sollen!“ Doch dann schüttelte sie die dunklen Locken. „Nein, soweit wäre es wohl nicht gekommen. Aber die eine oder andere Haarsträhne hätte es schon gekostet.“
„Dryade?“
„Ja?“
„Das war nur so eine Redewendung.“
„Ach so.“
Schweigend gingen sie weiter bis zu einem hohen Flügelschrank. Ein Wink der Eichenfee ließ die beiden Türen aufschwingen. Der Schrank war voller Schubläden. Die Dryade machte sich daran, eine nach der anderen zu durchsuchen. Offensichtlich wusste nicht mal sie, in welcher der kostbarste Besitz der Feen aufbewahrt wurde.
„Weshalb haben die anderen nichts von Eurer Zauberei bemerkt?“, wagte Lumiggl endlich, eine Frage zu stellen, die ihn schon lange beschäftigte.
„Ich habe dir doch gesagt, dass wir Dryaden viel älter sind, als die anderen, nicht wahr?“
„Ja.“
„Na siehst du.“
„Was sehe ich?“
Die Dryade unterbrach ihre Suche und wandte sich dem Wombling zu: „Wir Dryaden haben auch die ältere Magie“, erklärte sie. Sie schien verwundert, dass Lumiggl nicht alles klar war. „Unsere Magie stammt noch aus der Zeit vor dem großen Zauberer. Sie wurde uns also nicht von ihm verliehen.“
„Den anderen Feen wurde die Magie vom großen Zauberer verliehen?“
„Ich dachte, das wäre allgemein bekannt.“
„Nein.“
„Ach so. Das erklärt es“, die Baumnymphe wandte sich wieder den Schubläden zu, während sie weitererzählte. „Der große Zauberer schuf nicht nur den magischen See, sondern auch die Feen und ihre Magie. Aber uns Dryaden nicht – uns gibt es schon seit Anbeginn der Zeit und wir haben eine ganz eigene Magie. Sie ist uralt und so tief wie die Wurzeln unserer Eichen. Davon wissen die 'neuen' Feen nichts.“ Sie lächelte Lumiggl schelmisch an und sah plötzlich aus wie ein junges Mädchen. „Wir wären schön dumm, wenn wir ihnen davon erzählen würden, oder?“
Die Fee wandte sich wieder ihrer Suche zu. Viele waren leer, in anderen lag allerlei Krimskrams.
„Verflixt noch mal, wo kann das Ding nur sein?“ Langsam wurde die Dryade ungeduldig. „Hier vielleicht? Nein. Oh, hübsche Schleife. Aber die hat hier eigentlich gar nichts zu suchen ...“
Sie begann alles auf den Boden zu werfen.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein! Jetzt wird ich langsam böse. Oh, hier ist es ja!“
Sie holte ein schwarzes Kästchen heraus, das sie Lumiggl ohne große Umstände einfach in die Hand drückte.
„Mach das mal auf!“, forderte sie ihn auf.
Lumiggl gehorchte. Auf schwarzen Samt gebettet lag in dem Kästchen ein als Anhänger gearbeiteten blauen Kristall, kunstvoll geschliffen und mit feingliedrigem Laub aus Gold eingefasst. Der Stein hing an einer schweren Goldkette. Die Fee nahm Kette und Stein heraus und legte sie Lumiggl um.
„Das ist ein mächtiges Amulett aus alter Zeit“, erklärte sie. „Wenn du Hilfe brauchst, rufe es an.“
„Und was passiert dann?“
„Du wirst schon sehen.“
„Aber wenn ich es für etwas anrufe, was es gar nicht kann?“
„Keine Sorge.“
Langsam begann die Geheimnistuerei der Feen Lumiggl auf die Nerven zu gehen. Aber er war sich bewusst, dass er hier ein ganz besonderes Geschenk erhalten hatte und bedankte sich artig. Außerdem, wer wusste schon, wie die Feen reagierten, wenn er nicht die gebührende Dankbarkeit zeigte? Nach all seinen Erfahrungen war der Wombling da lieber vorsichtig.
Der Schmuck am Hals war ungewohnt und sein Glitzern irritierte Lumiggl. Kurz entschlossen schob er ihn unter sein Hemd.
„Gute Idee.“ Die Dryade nickte anerkennend. „Aber bevor du aufbrichst, solltest du dich ausruhen. Komm, ich zeige dir dein Zimmer.“
Lumiggl hatte gar nicht bemerkt, dass die Sonne bereits untergegangen war, denn das Schloss war nach wie vor hell erleuchtet, der Kristall der Wände schien aus sich selbst heraus zu glühen. Doch nun überkam ihn schlagartig Müdigkeit. Bloß gut, dass die Fee ihn darauf hingewiesen hatte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn er munter geblieben wäre, obwohl er doch müde war. Solche und ähnliches krauses Zeug ging dem Wombling durch den Kopf, als er herzhaft gähnte und hinter der Dryade herschlurfte.
Sie führte ihn in ein kleines Zimmer im ersten Stock. Mit einer Handbewegung dämpfte sie das Strahlen der Wände und Lumiggl konnte sehen, dass er sich direkt unter dem durchsichtigen Dach
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