Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
verdutzten Moosmann den Bogen aus der Hand, legte einen Pfeil auf die Sehne, spannte, zielte und ließ los. Der Pfeil schoss davon und blieb zitternd im Zielbrett stecken.
„Wahnsinn“, kommentierte der Moosmann tief beeindruckt und empfing fast andächtig die Waffe zurück aus Tschertels Händen. Sofort machte er sich daran, einen Pfeil einzulegen. Aber das Ding fiel runter, noch bevor der Moosmann den Bogen auch nur ein kleinbisschen spannen konnte. Geduldig zeigte Tschertel, dass der Pfeil hinten einen Kerbe hatte, in der man den Pfeil auf die Sehne aufsteckte. Und wenn man den Bogen dann auch noch ein bisschen schräg hielt, blieb der Pfeil auch ziemlich brav liegen.
Mit der Zungenspitze zwischen den Lippen spannte der Moosmann den Bogen, kniff ein Auge zu, zielte und schoss. Eifrig reckte er dann den Kopf, um zu sehen, wo der Pfeil getroffen hatte – aber der war nirgends zu sehen.
„Frechheit! Wer wagt es, Pfeile in meinen Eintopf zu schmeißen?“, kam da eine wütende Lessa angestapft, den verlorenen Pfeil in der Hand. Ihr Kessel stand ein gutes Stück von der Zielscheibe entfernt. Aber anscheinend nicht weit genug.
„Tut mir leid ...“ stammelte der Moosmann, plötzlich von einem streitbaren Bogenschützen auf einen kleinlauten Pechvogel geschrumpft.
„Sucht euch besser eine Ecke, in der ihr weniger Schaden anrichten könnt“, legte Lessa Tschertel nahe und drückte ihm den Pfeil in die Hand, ehe sie würdevoll an ihr Kochfeuer zurückkehrte.
Tschertel starrte ihr einen Moment nach, dann hob er wortlos die Zielscheibe hoch und trabte in den hinteren Bereich der Höhle, wo er hoffte, ein ungestörtes Plätzchen zu finden. Stumm folgten ihm die Männer, die sich um ihn versammelt hatten.
Glücklicherweise war die Höhle wirklich riesig. Und so fanden sie eine Nische, die so gelegen war, dass auch Fehlschüsse – solange sie nicht direkt nach hinten gerichtet waren, keinen Schaden anrichten konnten. Allerdings erwiesen sich die Moosmänner durch die Bank als miserable Schützen.
Die Zwerge dagegen zeigten ein gewisses Talent – zumindest zerbrachen ihre Pfeile nicht gleich beim Bogenspannen, sondern erst beim Aufprall gegen die Felswand. Aber hin und wieder traf sogar einer von ihnen das Zielbrett. Tschertel teilte sie daher kurz entschlossen als Bogenschützen ein.
Die anderen sollten im Nahkampf eingesetzt werden. Der Bergwombling führte ihnen vor, wie man mit einem Messer umzugehen hatte, mit einem Spieß und dem Schwert, er zeigte mehrere Kampftechniken und forderte die Männer heraus, mit ihm zu kämpfen. Aber alle stellten sich geradezu bemerkenswert ungeschickt an. Tschertel der Bergwombling, der Wilde, den nichts erschüttern konnte, war den Tränen nahe.
Lediglich Floritzl hielt sich wacker. Mit Hilfe seiner Flügel konnte er Angreifern ganz leicht ausweichen. Und seine Gegenangriffe waren, wie Zuschauer es ausdrückten, sehr phantasievoll. Aber oft verblüffte er den Gegner so damit, dass er Erfolg hatte.
So kam es, dass Floritzl sich bei den ‚Kämpfern' wiederfand.
„Wegfliegen, bis Gegner müde“, kommentierte Tschertel. „Außerdem Überraschungsmoment. Nicht zu unterschätzen. Wer rechnet schon damit, dass Gegner fliegt?“
Einen kleinen Tumult am Rande gilt es noch zu erwähnen: Graldo kam mit seiner Kiste und bat alle, still zu halten, er würde dieses historische Ereignis jetzt ein für alle mal der Nachwelt erhalten. Graldo hatte kaum ausgesprochen, als ein über seine eigene Ungeschicklichkeit enttäuschter Schrat einen Apfel nach dem Künstler warf und bemerkenswert gut traf. Graldo stand erst wie versteinert da, stürmte dann aber mit einem infernalischen Schrei und hocherhobenem Pinsel auf den Werfer. Ein Moosmann wollte Graldo aufhalten, ein anderer versuchte, den Schrat wegzuziehen, der aber nicht weichen wollte. Tschertel musste energisch dazwischen gehen.
„Kämpfer nicht stören!“ herrschte er Graldo an. Der wollte Tschertel, dem Wilden, erst widersprechen, überlegte es sich aber ganz schnell anders, als aus Tschertels Kehle ein bedrohlich klingendes Grollen drang. So schnell hatte der schwarzgekleidete Moosmann noch nie seine Kiste gepackt um zu verschwinden. Die Kämpfer lächelten – laut zu lachen wagte niemand. Tschertel seinerseits teilte den treffsicheren Schrat bei den Bogenschützen ein und nahm dann seine Kampfübungen wieder auf, als wäre nichts geschehen.
Natürlich war allen klar, dass es bei den Drachen kaum zu einem Nahkampf
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