The Acid House (German Edition)
Ängste glitten von mir ab, während ich wie ein Irrer zähnefletschend drauflos drosch.
Aber es dauerte nicht lange, bis sie wiederkamen. Es war mittlerweile acht geworden, und ich dachte, Gary sei möglicherweise zur Vernunft gekommen und hätte das Ganze abgeblasen, vielleicht weil Marge irgendwie im Urin gehabt hatte, dass was nicht stimmte, und ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Um 8.11 Uhr auf dem digitalen Radiowecker hörte ich es draußen wild hupen. Ich sah gar nicht erst aus dem Fenster. Ich nahm nur die Hasskappe und den Baseballschläger und ging runter. Mein Griff an der Waffe fühlte sich jetzt schlapp und kraftlos an.
Ich kletterte auf den Beifahrersitz. – Ich sehe, du bist vorbereitet, grinste Gary. Nachdem er das gesagt hatte, blieb dieses merkwürdige Grinsen noch auf seinem Gesicht festgefroren wie eine bizarre Halloween-Maske.
– Was hast du dabei? Ich fürchtete, er würde ein Messer rausholen.
Mein Herzschlag setzte aus, als er eine abgesägte Schrotflinte unter dem Sitz vorzog.
– Nich mit mir, Alter. Scheiße, vergiss es. Ich machte eine Bewegung, um aus dem Auto zu steigen. Seine Hand fiel auf meinen Arm.
– Reg dich ab! Is doch gar nich geladen, wa? Du kennst mich doch, verdammtnochmal. Knarren sind nicht mein Ding, Scheiße, nie gewesen. Kannste mir vielleicht auch n klein bisschen Hirn zutrauen, ja?
– Das soll also heißen, die is nich geladen?
– Türlich is die nich geladen, Mann. Hältste mich für bescheuert? Wenn wir’s so machen, brauchen wir keine Gewalt. Es gibt keinen Ärger, und es passiert keinem was. So n Typ im Bau hat mir das gesagt; du kennst die Leute nich wieder, wenn du mit ner Plemme auf sie zielst. Ich seh das so: Wir wolln unser Geld. Wir ham nix davon, der Fotze wehzutun, wir wolln bloß die Kohle. Wenn du’s mit m Baseballschläger übertreibst, hauste ihm am Ende seinen Kürbis zu Brei. Dann ham wir unser Geld immer noch nich, und dafür n Bett im Knast. Wir machen n bisschen Terror, zeigen ihm die – dabei wedelte er mit der Knarre rum, die jetzt wie ein lächerliches Spielzeug aussah, – und schon scheißt er Pfundnoten aus.
Ich musste zugeben, dass es sich auf Garys Art viel einfacher anhörte. Whitworth Angst zu machen war besser, als ihn zusammenzuschlagen. Wenn wir den Arsch bloß aufklatschten, holte er sich vielleicht n Schlägertrupp zusammen, um es uns heimzuzahlen. Wenn man ihm mit ner Kanone nen tüchtigen Schreck einjagte, würde er wahrscheinlich denken, es wär besser, sich nicht mit uns anzulegen. Wir wussten, dass die Waffe nicht geladen war, Whitworth nicht. Wer würde so ein Risiko eingehen?
Whitworths Wohnung lag im Erdgeschoss eines Montagebaus mit Maisonettewohnungen aus den Sechzigern, in einer kleinen Sozialsiedlung neben der Queensbridge Road. Es war dunkel, allerdings nicht stockfinster, als wir ein paar Meter vor seiner Haustür parkten. Ich überlegte, ob ich die Hasskappe aufsetzen sollte oder nicht, entschied mich aber dann dagegen. Gary hatte auch keine Maske, und wir wollten ja grade, dass Tony Whitworth sah, wer ihm die Knarre vors Gesicht hielt. Dafür versteckte ich den Baseballschläger unter meinem langen Mantel, als wir ausstiegen.
– Jetzt klingel schon, drängte Gary.
Ich drückte auf die Klingel.
Ein Flurlicht ging klickend an und schimmerte oben durch den Türspalt. Gary schob die Hand unter seinen Mantel. Die Tür öffnete sich, und ein etwa achtjähriger Junge in einem Arsenal-Trainingsanzug stand misstrauisch vor uns.
– Is Tony da? fragte Gary.
Mit so was hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte Whitworth zum Klischee stilisiert, den typisch großkotzigen Luden und Abzocker, um zu rechtfertigen, was wir mit ihm vorhatten. Ich hatte ihn mir nie als Mensch aus Fleisch und Blut vorgestellt, der Kinder hatte, Menschen, die ihn brauchten und wahrscheinlich sogar liebten. Ich versuchte Gary ein Zeichen zu machen, das sei weder der rechte Ort noch die rechte Zeit, aber der kleine Junge war schon wieder in der Wohnung verschwunden, und fast im gleichen Moment stand an seiner Stelle Whitworth im Flur. Er trugein weißes T-Shirt und Jeans und strahlte über das ganze Gesicht.
– Die Jungs, grinste er breit. – Schön, euch zu sehen! Ich hab was für euch, wenn … er brach mitten im Satz ab, bekam große Augen und wurde kalkweiß. Eine Gesichtshälfte schien sich zusammenzukräuseln, als hätte er so was wie nen Schlaganfall.
Gary hatte die Knarre hochgerissen und zielte auf ihn.
–
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