The Acid House (German Edition)
körperlos.
– Haste dem sein Gesicht gesehen, Jock?
– Das war null komisch, Gal, du abgefucktes Arschloch! fauchte ich. In meine kranke Furcht mischte sich endlich Zorn.
– Ja, aber sein Gesicht, Jock. Dem seine beschissene dreckige Kinderfickerfresse. Es stimmt tatsächlich, Jock. Du kennst die Leute nich wieder, wenn du mit ner Knarre auf sie zielst.
Er sieht mir jetzt direkt ins Gesicht. Jetzt richtet er die Waffe auf mich.
– Gal … mach hier bloß kein Scheiß … nee, Mann …
Ich kann nicht atmen, mir klappern die Knochen im Leib; von den Fußsohlen aufwärts lassen sie meinen ganzen Körper in einem scheppernden, ekelhaften Rhythmus zittern.
– Tja, sagt er, – man kennt die Leute nich wieder, wenn man mit der Waffe auf sie zielt.
Die Knarre ist immer noch auf mich gerichtet. Er hat sie nachgeladen, als er pissen war. Ich weiß es.
– Ich hab gehört, du hast dich ziemlich intensiv um mein altes Mädchen gekümmert, während ich gesessen hab, Kumpel, sagt er sanft und zärtlich.
Ich will etwas sagen, will vernünftig mit ihm reden, will betteln, aber die Stimme bleibt mir im Hals stecken, als sein Finger sich um den Abzug krümmt.
Eurotrash
Ich war anti-alles und – alle. Ich wollte niemanden in meiner Nähe haben. Die Ursache dafür war nicht irgendeine großartige, lähmende Angstneurose; ich hatte mich nur nach reiflicher Überlegung mit meiner eigenen psychischen Labilität und sozialen Unverträglichkeit abgefunden. Gedanken schafften sich rempelnd Platz in meinem übervollen Hirn, während ich mich abmühte, irgendeine Ordnung in sie hineinzubringen, die eventuell eine Begründung für mein schlaffes Dahinleben liefern konnte.
Für andere war Amsterdam ein Ort der Magie. Ein strahlender Sommer; junge Menschen genossen die Attraktionen einer Stadt, die ihnen als der Inbegriff persönlicher Freiheit erschien. Mir zeigte sie sich bloß als eine Abfolge dumpfer, verschwommener Schatten. Das harte Sonnenlicht widerte mich an, und ich wagte mich selten hinaus, ehe es dunkel war. Tagsüber sah ich mir holländische und englische Sendungen im Fernsehen an und rauchte viel Marihuana. Rab war alles andere als ein überschwänglicher Gastgeber. Ohne sich seiner eigenen Lächerlichkeit im Geringsten bewusst zu sein, informierte er mich, dass man ihn hier in Amsterdam als »Robbie« kannte.
Rab/Robbies Ekel vor mir schien hinter der Fassade seines Gesichts zu lodern und den Sauerstoff in dem kleinen, nach vorne raus liegenden Zimmer zu verzehren, in dem ich mein Sofabett aufgeschlagen hatte. Ich bemerkte immer, wie seine Kinnmuskeln vor unterdrückter Wut mahlten,wenn er schmutzig, schweißverklebt und müde von harter, körperlicher Arbeit heimkam, um mich zugekifft vor dem Kasten sitzen zu sehen, den obligatorischen Spliff in der Hand.
Ich war eine Last. Ich war erst vierzehn Tage hier, und seit drei Wochen clean. Meine körperlichen Symptome waren abgeklungen. Wenn du einen Monat clean bleiben kannst, hast du eine Chance. Wie auch immer, ich spürte, es war Zeit, mir eine eigene Bleibe zu suchen. Meine Freundschaft mit Rab (beziehungsweise Robbie, als der er sich neu erfunden hatte) konnte bei den einseitigen, ausbeuterischen Vorzeichen, unter denen ich sie neu aufgenommen hatte, unmöglich überleben. Das Schlimmste war: Es war mir ziemlich egal.
Eines Abends, mein Aufenthalt dauerte bereits etwa zwei Wochen, reichte es ihm anscheinend. –Hast du in nächster Zeit vor, dir n Job zu suchen? fragte er mit unüberhörbar gezwungener Beiläufigkeit.
– Bin dabei, Alter. Ich hab mich gestern schon mal n bisschen umgetan, n paar Sachen ausgecheckt, ja? Die Lage gepeilt, sagte ich mit gespielter Aufrichtigkeit. So gingen wir miteinander um; gezwungene Höflichkeit mit einem Subtext von gegenseitigem Antagonismus.
Ich fuhr mit der Tram Nummer 17 von Rab/Robbies deprimierendem kleinem Wohnsilo im Westteil ins Stadtzentrum. Nie ist was los in Gegenden wie der, in der wir wohnten, Slotter Vaart nennt sie sich; überall Schlackenstein und Beton; eine Bar, ein Supermarkt, ein Chinarestaurant. Man braucht ein Stadtzentrum, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo man ist. Ich hätte genauso gut wieder in Wester Hailes sein können, oder in Kingsmead, eben an einem der Orte, denen ich hatte entkommen wollen. Nur war ich nicht entkommen. Ein Müllcontainer fürdie Armen in einem tristen Vorort ist so ziemlich wie der andere, egal, in welcher Stadt er steht.
In meinem momentanen Seelenzustand hasste
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