The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
Augen hart und …
Natürlich sieht sie nicht wie Charina aus , plapperte sein Verstand drauflos. Charina war ja die ganze Zeit Carlotta!
Was hatte Naitachal gesagt? Ach ja: Wenn sie sich in ihre wirkliche Gestalt veränderte, dann war das vermutlich das Vorspiel zu einem größeren Zauberspruch, den sie ausstoßen würde. Weil machtvolle Magie Illusionen zerstörte …
Es blieb keine Zeit zum Grübeln. In der letzten Mitternachtssitzung hatten der Bardling und die anderen jedes Detail ihres Vorgehens ausgearbeitet. Oh, wie froh Kevin jetzt über diese Vorbereitung war! Bliebe er stehen und starrte sie wie ein vor Angst gelähmter Narr an, würde sie ihn niederstrecken. Wenn er versuchte, mit dem Manuskript fortzulaufen, wie der naive Junge, der er gewesen war, als er Bracklin verließ, ebenfalls. Statt dessen warf Kevin das Manuskript einfach aus dem offenen Fenster der Bibliothek und flehte inständig, daß Tich’ki rechtzeitig an Ort und Stelle gelangt war.
Offenbar hatte Carlotta damit überhaupt nicht gerechnet. Sie schrie wutentbrannt auf, und ihre magische Konzentration wurde durch den Schock unterbrochen.
Das ist meine Chance!
Kevin lief los und betete, daß er wegkam, bevor sie ihre Kontrolle wiedergewann und ihn vernichtete. Hinter sich hörte der Bardling sie erneut aufschreien, diesmal vor Enttäuschung, und er fühlte seine Haut kribbeln, als sie ihre Kräfte sammelte. Doch bevor sie ihn vernichten konnte, fegte Kevin durch die Tür und schlug sie heftig hinter sich ins Schloß – wohlwissend, daß er Carlotta damit nicht länger als einen Augenblick aufhalten konnte. Er war kein Kämpfer, und er war kein Magier – Mächte, Mächte, hoffentlich waren die anderen da, um ihn rauszuhauen!
Das waren sie. Als Carlotta die Tür aufriß, tauchte Eliathanis anscheinend aus dem Nichts auf. Er bewegte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit, sprang los und umklammerte Carlotta mit beiden Armen. Mit einer Hand unterband er ihre Versuche zu schreien. Doch selbstverständlich würde auch er sie nicht allzulange aufhalten können.
»Verschwinde hier, Kevin!« schrie der Weiße Elf.
Dann keuchte er vor Schmerz, als die Hexe ihn biß.
Kevin schaute über die Schulter zurück und sah in eiskaltem Entsetzen, daß ihr Mund frei war, so daß sie einen Bann hinausschleudern konnte. Ein geschrienes Wort warf Eliathanis durch die Luft. Der Bardling blieb gepeinigt stehen, sicher, daß er tatenlos zusehen mußte, wie die Zauberin den Weißen Elf erschlug. Sie spie einen kurzen, verdrehten Satz hervor – und ein Strahl dunklen Feuers schoß aus ihrer Hand hervor.
Doch bevor er den gestürzten Elf traf, sprang Naitachal mit abwehrend erhobenen Armen aus den Schatten hervor. Sein Umhang schwang dramatisch hinter ihm.
Das zauberische Feuer prallte von einem aus dem Nichts aufgetauchten unsichtbaren Wall zurück und schlug statt dessen mit donnerndem Röhren in eine Wand ein. Steine stoben in einer gigantischen Staubwolke herab und zwangen Carlotta, sich in den Schutz der Bibliothek zurückzuziehen. Bevor sie sich erholen konnte, stand Eliathanis schon wieder auf den Füßen. Die beiden Elfen klatschten sich gegenseitig in die Hände, dann nahmen sie jedoch die Beine in die Hand und schlossen zu Kevin auf.
»Der Lärm wird das ganze Schloß aufwecken!« schrie Naitachal. »Schnell zu den Toren! Lydia sollte die Pferde schon bereit haben.«
»Das sollte sie wirklich!« fügte Eliathanis hinzu.
»Wenn wir jetzt nicht machen, daß wir fortkommen …«
Zu spät. Carlotta hatte ihren Zufluchtsort verlassen, aber in der Gestalt von Charina, staubig, zerzaust, und pathetisch um Hilfe rufend.
»Sie … Sie behauptet, daß wir sie angegriffen hätten!«
stieß Kevin hervor. »Und daß wir obendrein Zauberei benutzen!«
»Wundervoll«, murmelte Naitachal. »Genau das hat uns gerade noch gefehlt.«
Sie traten auf den Hof hinaus, unter einen dramatisch bewölkten Himmel. Eliathanis blieb wie angewurzelt stehen. »Da kommen die Wachen. Keiner wird uns glauben, gegen das Wort der armen, süßen kleinen Charina.
Wir müssen uns aufteilen.« Er schubste Kevin an. »Die Treppe rauf, rasch! Naitachal, du gehst da lang, ich hier.
Wir sehen uns draußen!«
Wollen wir’s hoffen! Kevin stolperte die steile Steintreppe hinauf, eine Mauer zur Linken, den klaffenden Abgrund zur Rechten. Er hörte, wie ein Trupp Wächter hinter ihm die Treppe hinaufpolterte, und landete auf dem schmalen Wall zwischen zwei Türmen. Wohin?
Wohin
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