The Bards Tale 02 - Festung aus Feuer und Eis
Begabung haben konnte. Ein Blick in die andere Richtung versicherte den Barden, daß sein Schüler die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte. Selbst der Wirt hörte auf, Humpen auszuwaschen und Bierkrüge herumzutragen, er stellte sich hinter seinen Tresen, pflanzte die Ellbogen darauf und stützte das Kinn in die Hände, während er der Musik lauschte.
Sehr nett. Und technisch einwandfrei. Der Barde kratzte sich verstohlen die Brust. Würde der Bardling seine Musik richtig beherrschen, hätte er sogar die Stiefel ausziehen und sich die Füße kratzen können, ohne daß jemand es bemerkte.
Doch Gawaines Musik war trotz der fehlerlosen Technik, die er durch ständiges Üben erlangt hatte, trotz der Stimme, die niemals brach oder eine höhere Note verfehlte – diese Musik war so aufregend wie die Zahlenkolonnen eines Buchhalters. Zum Beispiel dieses Lied, das er gerade geschrieben hatte … Naitachal unterdrückte einen Seufzer. Er hätte schon in den ersten paar Versen ein halbes Dutzend Stellen benennen können, die das Blut der Männer in Wallung und sie selbst dazu gebracht hätten, sich unter der Kriegsfahne irgendeines Lords zu sammeln. Und es gab drei vier andere Stellen, mit denen man sie hätte zum Weinen bringen oder ihnen Angst einjagen können.
Wer hätte gedacht, daß zwei junge Menschen so verschieden sein können? Kevin, jetzt Graf Kevin, natürlich, war ebenfalls sechzehn Jahre alt gewesen wie Gawaine, als sein Meister ihn gefunden und ihn aus einer schwierigen Situation befreit hatte. Sie hatten beide rotes Haar gehabt, beide offensichtliches Talent und diese unterschwellige Magie tief in ihrem Innersten, die jeden Barden aufhorchen und zugreifen ließ, bevor ein anderer ihm den Schüler wegschnappte.
Doch hier endeten die Ähnlichkeiten. Sicher, Kevin war der Bardling des alten Aidan gewesen – und ein unberechenbarer Wildfang, als Naitachal ihn getroffen hatte. Sein Meister hatte ihn mit einem Auftrag losgeschickt, den er allein ausführen sollte. Die Kopie eines Manuskriptes. Kevin sehnte sich nach Abenteuern und besaß die Begabung, alle Arten von Pech geradezu anzuziehen.
Und er steckte gleich von Anfang an bis zum Hals in Schwierigkeiten. Man stelle sich vor, ein Bardling, der mit einem Schwert kämpfen wollte. Schlimmer noch, sogar mit seinen Fäusten! Na ja, ein kräftiger Hieb mit seiner Rechten kurierte den jungen Kevin von diesem Begehr nachhaltig. Dieser erste Schlag war, jedenfalls soweit Naitachal wußte, auch sein letzter.
Doch das eigentlich Problem war Kevins Unsicherheit gewesen – obwohl er vor seinen Gefährten sehr gut geheimgehalten hatte, daß er niemals etwas Wagemutigeres unternommen hatte, als zu Füßen seines Meisters zu hocken und Bardenmagie zu lernen. Naitachal grinste und rutschte noch ein wenig tiefer in seinen Stuhl, als Gawaine sein erstes Lied beendete und Applaus im Raum aufbrandete. Doch vor einem Dunklen Elf konnte er die Wahrheit nicht verbergen.
Anders als Kevin war Gawaine nicht in den Genuß einer frühen Ausbildung in Gesang und Laute gekommen.
Er verbrachte seine Kindheit damit, Pferde zu füttern und zu pflegen. Seine musikalischen Fähigkeiten waren vollkommen unentwickelt. Ein ungeformtes Talent ohne jeden Schliff, als Naitachal ihn fand.
Sicher, beide waren in der tiefsten Provinz aufgewachsen, keiner von ihnen war in seiner Kindheit jemals in einer Stadt gewesen. Sie waren beide weltfremd. Und Naitachal fürchtete, daß Gawaine ebenso stark an diesem Charakterzug festhielt, wie Kevin ihn hatte abstreifen wollen. Zudem hatte in Kevin eine Leidenschaft geschlummert, die Gawaine vollkommen abging. Kevin wollte die ganze Macht – obwohl sie ihn so verängstigt hatte, als er sie das erste Mal spürte. Gawaine dagegen …
Gawaine hat diese Macht, dachte Naitachal finster. Doch ob er sie jemals nutzen würde, stand auf einem anderen Blatt. Gawaine saß lieber zu Füßen irgendeines Heiligen und sog die ›Absolute Wahrheit ein. Der arme Kerl.
Wenn ich daran denke, daß er glaubte, ausgerechnet ich könnte sie ihm vermitteln. Bei nüchterner Betrachtung war Naitachal nicht einmal sicher, ob Gawaine nicht immer noch annahm, daß sein Meister alle Antworten kannte.
Gelächter brandete auf, und der Barde richtete sich ein wenig auf, um zu sehen, was sein Schüler gerade machte.
Dann rieb er seine Schultern an der Rückenlehne, lehnte den Kopf gegen das harte geschnitzte Holz und versank wieder in seine Gedanken. Vielleicht dränge ich
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