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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Gesellschaft. Und für dich.«
    »Für mich?«
    »Sie hat bereits auf dich gewartet.« Er setzte sich auf einen abgeflachten Felsen und ließ Nuala zu den Bäumen hinüber spazieren. »Du bist ein Traumwandler. Was heißt das für dich?«
    Er hatte mich also nicht nur hier rausgeführt, um ein kleines Reh zu füttern.
    »Ich bin mit dem Æther im Einklang«, antwortete ich.
    »Was genau bedeutet das?«
    »Ich kann aus der Entfernung fremde Traumlandschaften erspüren. Und Aktivitäten im Æther allgemein.«
    »Das ist die dir angeborene Gabe, der Kern des Ganzen: eine erhöhte Sensibilität gegenüber dem Æther, ein Bewusstsein, das den meisten anderen Sehern nicht zu eigen ist. Es entspringt deinem silbernen Band, das sehr flexibel ist. Und es erlaubt dir, deinen Geist aus dem Zentrum deiner Traumlandschaft zu lösen, deine Wahrnehmung der Welt zu erweitern. Die meisten Seher würden wahnsinnig werden, wenn sie so etwas versuchten. Doch bei unserem letzten Training habe ich dich dazu ermutigt, mit deinem Geist meine Traumlandschaft zu bedrängen. Sie anzugreifen.« Seine Augen glühten in der Dunkelheit. »Dein Potenzial umfasst mehr als ein reines Gespür für den Æther. Du kannst ihn beeinflussen. Du kannst andere Menschen beeinflussen.«
    Ich sagte nichts darauf.
    »Als du jünger warst, konntest du die Menschen vermutlich verletzen. Vielleicht hast du Druck auf ihre Traumlandschaften ausgeübt. Dabei sind ihnen eventuell gewisse Dinge zugestoßen: Nasenbluten, Sehstörungen … «
    »Ja.«
    Er wusste es bereits, zwecklos, das noch zu leugnen.
    »In dieser U-B ahn hat sich etwas verändert«, fuhr er fort. »Dein Leben war in Gefahr. Du hattest Angst vor der Verhaftung. Und zum ersten Mal in deinem Leben hat die Kraft in deinem Inneren … diese Kraft ist zum Vorschein gekommen.«
    »Wie hast du das herausgefunden?«
    »Wir haben einen Bericht erhalten, laut dem eine verdeckte Wache getötet worden war – ohne jedes Blutvergießen, ohne Einsatz von Waffen, ohne eine Spur am Körper. Nashira war sofort klar, dass dies das Werk eines Traumwandlers sein musste.«
    »Es hätte auch ein Poltergeist sein können.«
    »Poltergeister hinterlassen immer eine Spur. Gerade du solltest das wissen.«
    Die Narben an meiner Hand schienen sich mit Eis zu überziehen.
    »Nashira wollte dich lebend haben«, fuhr der Wächter fort. »Die NVD geht bei Festnahmen ungeschickt und brutal vor, so wie auch viele unserer Rotjacken. Ungefähr die Hälfte dieser Verhaftungen endet tödlich. Das durfte bei dir nicht passieren. Du musstest unversehrt bleiben. Deswegen schickte Nashira den Oberaufseher, ihren Spezialisten, wenn es um die Beschaffung von Sehern geht.«
    »Warum?«
    »Weil sie hinter dein Geheimnis kommen will.«
    »Da gibt es kein Geheimnis. So bin ich einfach.«
    »Und Nashira will ebenfalls so sein. Sie sehnt sich nach seltenen Gaben, inklusive deiner.«
    »Warum holt sie sie sich dann nicht einfach? Als sie Seb getötet hat, hätte sie mich doch auch gleich umbringen können. Wozu noch warten?«
    »Weil sie zunächst das gesamte Ausmaß deiner Fähigkeiten begreifen will. Doch sie wird nicht ewig warten.«
    »Ich werde für euch keine Show abziehen«, wehrte ich mich. »Noch bin ich kein Clown.«
    »Das habe ich auch nicht verlangt. Und es ist auch nicht nötig. Ich habe in der Kapelle gesehen, wozu du fähig bist. Du bist mit deinem Geist gewaltsam in Aludras Bewusstsein eingedrungen. Und ich habe es bei unserem Training erlebt, als du in meines eingebrochen bist. Aber sage mir … « Er lehnte sich vor, sodass seine roten Augen die Dunkelheit vertrieben. »Hättest du von einem von uns Besitz ergreifen können?«
    Nur das raue Krächzen einer Eule durchdrang die angespannte Stille und ließ mich unwillkürlich hochsehen. Ich beobachtete den Mond, der auf einer rauchigen Wolke zu ruhen schien. Für einen Moment fühlte ich mich in Jax’ Arbeitszimmer zurückversetzt, zu dem Moment, als wir das erste Mal über das Thema Besessenheit gesprochen hatten.
    »Mein liebes Mädchen«, hatte er begonnen, »du warst ein leuchtender Stern, nein, eine lodernde Flamme. Du bist ohne jeden Zweifel ein echter Bewahrer, ein zum Platzen angefülltes Siegel – aber nun würde ich dir gerne eine neue Aufgabe stellen. Eine Aufgabe, die dich fordern, aber auch ausfüllen wird.« Er hatte mich gebeten, mein Bewusstsein in seines hineinzuzwingen, um zu sehen, ob ich die Kontrolle über seinen Körper erlangen konnte. Allein die Vorstellung

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