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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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verschloss die Tür, und ich sah, wie er den Schlüssel einsteckte. »Mein Wissen über Menschen ist sehr begrenzt. Eventuell wirst du mich an manche deiner Bedürfnisse erinnern müssen.« Er tippte mit einem Finger auf den Schreibtisch. »In der Schublade findest du medizinische Substanzen. Du wirst jeden Abend von jeder der Tabletten eine einnehmen.«
    Statt zu antworten, verschaffte ich mir vorsichtig einen Eindruck von seiner Traumlandschaft – uralt, fremdartig und durch die lange Zeit verhärtet. Wie eine magische Laterne im Æther.
    Der Fremde in I-4 war mit ziemlicher Sicherheit einer von ihnen gewesen.
    Ich spürte, wie sein Blick über mein Gesicht glitt und tiefer drang, als er meine Aura studierte und herauszufinden versuchte, was er sich da aufgehalst hatte. Oder welchen verborgenen Schatz er entdeckt hatte. Dieser Gedanke löste neuen Hass in mir aus.
    »Sieh mich an.«
    Ganz klar ein Befehl. Ich hob das Kinn und sah ihm in die Augen.
    Aber ich würde verflucht noch mal nicht zulassen, dass er die Angst zu sehen bekam, die er tief in mir auslöste.
    »Du verfügst nicht über die zweite Sicht«, stellte er fest. »Das wird dir hier zum Nachteil gereichen. Es sei denn, natürlich, du kannst das auf andere Weise ausgleichen. Vielleicht durch einen verstärkten sechsten Sinn.«
    Ich sparte mir eine Antwort. Schon immer hatte ich davon geträumt, wenigstens auf einem Auge die Zweitsicht zu haben, aber ich war und blieb blind, was das anging. Ich konnte nicht die kleinen Lichter im Æther sehen, konnte sie immer nur spüren. Jaxon hatte das nie als Schwäche betrachtet.
    »Hast du irgendwelche Fragen?« Seine mitleidslosen Augen prüften jeden Zentimeter meines Gesichts.
    »Wo soll ich schlafen?«
    »Ich werde ein Zimmer für dich herrichten lassen. Vorerst wirst du hier schlafen.« Er zeigte auf das Sofa. »Sonst noch etwas?«
    »Nein.«
    »Morgen werde ich nicht hier sein. Während meiner Abwesenheit kannst du dich mit der Stadt vertraut machen. Bei Sonnenuntergang musst du zurück sein, das gilt für jeden Tag hier. Sobald du die Sirene hörst, wirst du in diese Räumlichkeiten zurückkehren. Solltest du etwas stehlen oder berühren oder irgendetwas durcheinanderbringen, werde ich es wissen.«
    »Jawohl, Sir.«
    Das Sir war mir einfach so rausgerutscht.
    »Nimm das hier.« Er streckte mir eine kleine Kapsel entgegen. »Morgen Abend nimmst du noch eine davon, zusammen mit den anderen Substanzen.«
    Ich rührte mich nicht. Arcturus goss, ohne mich anzusehen, Wasser aus einer Karaffe in ein Glas. Dann reichte er es mir zusammen mit der Kapsel. Nervös befeuchtete ich meine Lippen.
    »Und wenn ich sie nicht nehme?«
    Nach langem Schweigen antwortete er: »Das war keine Bitte, sondern ein Befehl.«
    Mein Herz begann zu rasen. Ich rollte die Kapsel zwischen den Fingern hin und her. Sie war olivgrün mit einem leichten Graustich. Ich schluckte sie. Bitterer Geschmack.
    Er nahm mir das Glas ab.
    »Eine Sache noch.« Arcturus umschloss mit der freien Hand meinen Hinterkopf und drehte ihn so, dass ich ihn ansehen musste. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Du wirst mich ausschließlich mit meinem zeremoniellen Titel ansprechen: Wächter. Ist das klar?«
    »Ja.«
    Ich musste die Antwort mit Gewalt hervorwürgen. Er sah mich so durchdringend an, als wollte er mir die Anweisung in den Schädel einbrennen, dann ließ er meinen Kopf los. »Wir werden nach meiner Rückkehr mit deiner Ausbildung beginnen.« Er wandte sich ab. »Schlaf gut.«
    Ich konnte einfach nicht anders. Ich stieß ein leises, bitteres Lachen aus.
    Er drehte seine Kopf halb in meine Richtung. Ich sah, wie seine Augen ausdruckslos wurden. Ohne ein weiteres Wort trat er durch die Tür. Der Schlüssel drehte sich im Schloss.

Kapitel Fünf
    D IE G LEICHGÜLTIGE
    Rötliches Sonnenlicht schimmerte durchs Fenster und weckte mich aus tiefem Schlaf. Ich hatte einen ekligen Geschmack im Mund. Im ersten Moment dachte ich, ich wäre in meinem Zimmer in I-5, weit weg von Jax, weit weg von der Arbeit.
    Dann fiel es mir wieder ein. Knochenernte. Rephaim. Ein Schuss und eine Leiche.
    Nein, ich war ganz sicher nicht in I-5.
    Die Kissen lagen auf dem Boden, offenbar hatte ich sie während der Nacht von mir geworfen. Ich setzte mich auf, sah mich um und rieb mir den steifen Nacken. Mein Rücken tat weh, mein Schädel dröhnte. Ich hatte offenbar einen »Kater«, wie Nick es genannt hätte. Arcturus – also, der Wächter – war nirgendwo zu sehen.
    Das

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