Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
Vom Netzwerk:
hierher verfrachtet werden.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.« Das erklärte auch, warum dieser arme Kerl neun Jahre dort gewesen war.
    »Oh, nein. Wenn es darum geht, uns zu zähmen, sind sie wirklich findig. Sie kennen all unsere Schwächen, wissen genau, wie sie uns mürbe machen können. Und an zehn Jahren im Tower würde wohl jeder zerbrechen.«
    »Was sind sie?«
    »Ich weiß nur, dass sie keine Menschen sind.« Sie tauchte das Brot in ihre Brühe. »Sie führen sich auf wie Götter. Und so wollen sie auch behandelt werden.«
    »Dann sollen wir sie also anbeten.«
    »Nicht nur anbeten, wir verdanken ihnen unser Leben. Niemals lassen sie uns vergessen, dass sie uns vor den Summern beschützen und dass diese Sklaverei ›nur zu unserem Besten‹ ist. Immer noch besser ein Sklave zu sein als tot, sagen sie. Oder draußen vom Inquisitor verfolgt zu werden.«
    »Summer?«
    »Die Emim. So nennen wir sie.«
    »Warum das denn?«
    »So haben wir sie schon immer genannt. Wahrscheinlich haben die Rotjacken sich das ausgedacht. Immerhin sind sie es, die gegen sie kämpfen müssen.«
    »Und wie oft?«
    »Das hängt von der Jahreszeit ab. Im Winter greifen sie wesentlich häufiger an. Du musst nur auf die Sirene hören: Ein einzelner Ton ruft die Rotjacken zusammen. Wenn sich der Ton verändert, verzieh dich nach drinnen, denn das bedeutet, dass sie kommen.«
    »Ich habe immer noch nicht so ganz begriffen, was die eigentlich sind.« Mühsam riss ich ein Stück von meinem Brot ab. »Sind sie so etwas Ähnliches wie die Rephaim?«
    »Ich habe nur Geschichten gehört. Die Rotjacken machen sich einen Spaß daraus, uns Angst einzujagen.« Das sanfte Licht des Feuers huschte über ihr Gesicht. »Sie behaupten, die Emim könnten verschiedene Gestalten annehmen. Allein in ihrer Nähe zu sein, könne einen schon umbringen. Manche behaupten, dass sie einem den Geist aus dem Körper reißen. Andere bezeichnen sie als verrottende Riesen, was auch immer das heißen soll. Und wieder andere sagen, sie wären wandelnde Skelette, die eine neue Haut für ihren Körper brauchen. Ich weiß nicht, was davon wahr ist, aber sie fressen definitiv menschliches Fleisch. Sie sind richtig süchtig danach. Sei also nicht überrascht, wenn du da draußen ein paar Leute mit fehlenden Gliedmaßen siehst.«
    Mir hätte schlecht sein sollen, stattdessen war ich innerlich völlig taub. Das kam mir alles so unwirklich vor. Liss zog am Vorhang, um uns besser vor den Menschen da draußen zu verbergen. Dabei fiel mir ein Bündel bunter Seide ins Auge.
    »Du bist die Schlangenfrau«, stellte ich fest.
    »Fandest du es gut?«
    »Sehr gut.«
    »So verdiene ich hier meine Brötchen. Zum Glück hatte ich den Bogen schnell raus – früher habe ich so etwas auf der Straße gemacht.« Sie leckte sich die Suppe von den Lippen. »Ich habe dich gestern mit Pleione gesehen. Deine Aura war offenbar Gesprächsthema.«
    Ich sagte nichts. Es war gefährlich, über meine Aura zu sprechen, besonders mit einem Mädchen, das ich gerade erst kennengelernt hatte.
    Liss musterte mich prüfend. »Verfügst du über die Zweitsicht?«
    »Nein.« Was ja stimmte.
    »Weswegen wurdest du verhaftet?«
    »Ich habe jemanden getötet. Eine verdeckte Wache.« Auch wahr.
    »Wie?«
    »Mit dem Messer, aus dem Affekt.« Lüge.
    Liss warf mir einen langen Blick zu. Wie es bei Wahrsagern typisch war, verfügte sie über die Zweitsicht auf beiden Augen. Dadurch konnte sie die Röte meiner Aura genauso gut sehen wie in meinem Gesicht. Hätte sie sich etwas über das Thema angelesen, hätte sie gewusst, in welche Kategorie ich einzuordnen war.
    »Das glaube ich nicht.« Sie trommelte mit den Fingern auf den Boden. »Niemals hast du so viel Blut vergossen.«
    Wirklich gut für eine Wahrsagerin.
    »Du bist kein Orakel«, stellte sie nachdenklich fest. »Orakel habe ich einige gesehen. Für eine Megäre bist du zu ruhig, und ein Medium bist du ganz bestimmt auch nicht. Dann musst du also … «, Verstehen blitzte in ihren dunklen Augen auf, »… eine Traumwandlerin sein.« Erst jetzt tauchte sie aus ihren Überlegungen auf und sah mich an. »Stimmt’s?«
    Stumm erwiderte ich ihren Blick. Liss ließ sich auf die Fersen sinken.
    »Tja, das erklärt alles.«
    »Was?«
    »Warum Arcturus dich genommen hat. Nashira hat noch nie einen Wandler gefunden, und sie will unbedingt einen. Da wird sie sichergehen wollen, dass du gut geschützt bist. Solange du sein Mensch bist, wird niemand dich anrühren. Und wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher