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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Weaver.«
    »Ach ja, richtig. Du hast nicht zufällig eine Ausgabe des Descendant dabei, oder?«
    »Sie haben alles konfisziert.« Ich sah mich nach einem Sitzplatz um. »Hast du wirklich gedacht, Mayfield wäre noch Großinquisitor?« Es war völlig unmöglich, dass jemand nicht wusste, wer der amtierende Inquisitor war. Abgesehen von Scarlett Burnish war Weaver das Herz und die Seele von Scion.
    »Kein Grund, sich aufs hohe Ross zu schwingen. Woher sollte ich das denn wissen? Wir kommen hier nur alle zehn Jahre an Neuigkeiten.« Er packte mich am Arm und zog mich noch tiefer in die Ecke hinein. »Haben sie den Roaring Boy je wieder aufgemacht?«
    »Nein.« Ich wollte mich losreißen, hatte aber keine Chance.
    »Steht Sinatra noch auf dem Index?«
    »Ja.«
    »Was für eine Schande. Und was ist mit dem Flohkino? Haben sie das schon entdeckt?«
    »Sie ist gerade erst angekommen, Cyril. Ich denke, sie möchte vor allem etwas essen.«
    Jemand hatte bemerkt, dass ich in der Klemme saß. Cyril drehte sich mit einer heftigen Bewegung zu der jungen Frau um, die die Arme vor der Brust verschränkt hatte und unnachgiebig das Kinn reckte. »Du bist eine blöde, stinkende Miesepeterin, Rymore. Hast heute wohl wieder die Zehn der Schwerter gezogen, was?«
    »Klar, als ich an dich gedacht habe.«
    Mit einem finsteren Blick schnappte sich Cyril die Platte und wieselte davon. Ich wollte ihn noch am Hemd festhalten, aber er war schneller als ein Taschendieb auf der Flucht. Das Mädchen schüttelte nur den Kopf. Sie hatte ein kleines, lebhaftes Gesicht, das von strähnigen schwarzen Locken umrahmt wurde. Der rote Lippenstift leuchtete wie eine frische Wunde auf ihrer Haut.
    »Du hattest gestern erst deine Einführung, kleine Schwester.« Ihre Aussprache war etwas undeutlich. »Dein Magen hätte es sowieso nicht verkraftet.«
    »Gestern Morgen habe ich aber etwas gegessen«, widersprach ich. Fast hätte ich gelacht, weil mich dieses winzige Mädchen als »kleine Schwester« bezeichnete.
    »Vertrau mir, das kommt vom Flux. Es zermatscht dein Gehirn.« Sie ließ den Blick durch den Raum wandern. »Schnell, komm mit.«
    »Wohin?«
    »Ich habe einen Unterschlupf, da können wir reden.«
    Der Gedanke, einer völlig Fremden zu folgen, gefiel mir nicht, aber ich musste ja mit irgendjemandem reden. Also ging ich mit.
    Meine Führerin schien jeden hier zu kennen. Mehreren Leuten gab sie die Hand, hatte aber immer ein Auge darauf, ob ich noch hinter ihr war. Ihre Kleidung schien in etwas besserem Zustand als bei den anderen Akrobaten zu sein: dünnes Oberteil mit Glockenärmeln und Hochwasserhosen. Bestimmt war ihr eiskalt. Irgendwann schlug sie einen schäbigen Vorhang zurück. »Schnell«, mahnte sie wieder. »Sonst sehen sie es.«
    Drinnen war es dämmrig, aber dank eines Petroleumofens nicht völlig dunkel. Ich setzte mich. Ein paar fleckige Laken und ein Kissen bildeten eine primitive Schlafstätte. »Nimmst du oft Streuner auf?«
    »Manchmal. Ich weiß, wie es ist, wenn man gerade neu ankommt.« Das Mädchen ließ sich neben dem Ofen nieder. »Willkommen in der Familie.«
    »Ich gehöre also einer Familie an?«
    »Jetzt schon, Schwester. Und es ist nicht irgendein Familienkult, falls du das meinst. Einfach eine Familie, wo man einander Schutz bietet.« Sie fingerte an dem Ofen herum. »Ich schätze mal, du warst früher im Syndikat.«
    »Könnte sein.«
    »Ich nicht. Die in der Zentralparzelle konnten eine wie mich nicht gebrauchen.« Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ich bin während der letzten Knochenernte hergekommen.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Na, zehn Jahre eben. Ich war damals dreizehn.« Sie streckte mir eine schwielige Hand entgegen. Nach kurzem Zögern schüttelte ich sie. »Liss Rymore.«
    »Paige.«
    » XX -59–40?«
    »Ja.«
    Liss entging nicht, wie ich das Gesicht verzog. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Macht der Gewohnheit. Oder vielleicht hat die Gehirnwäsche bei mir auch schon angeschlagen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Welche Nummer hast du?«
    » XIX -49–1.«
    »Und woher kennst du meine?«
    Sie schüttete ein wenig Brennspiritus in den Ofen. »In einer so kleinen Stadt spricht sich alles schnell rum. An Neuigkeiten von draußen kommen wir ja nicht ran. Sie wollen nicht, dass wir wissen, was in der freien Welt passiert. Falls man Scion als ›frei‹ bezeichnen kann.« Eine bläuliche Flamme schlug ihr entgegen. »Deine Nummer ist in aller Munde.«
    »Warum das?«
    »Hast du es denn

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