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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Er rieb sich die geröteten Augen. »Tut mir leid, ich sehe immer noch die Bilder.«
    »Was denn?«
    »Pferde, Bücher und Feuer.«
    Das Gespenst hatte ihm Bilder seines Todes aufgedrückt, eine unangenehme Nebenwirkung des Kampfes mithilfe von Geistern.
    »Welcher Reph war das?«, wollte ich wissen.
    »Sie heißt Aludra Chertan. Keine Ahnung, warum sie sich als Hüterin gemeldet hat, sie hasst uns.«
    »Sie hassen uns doch alle.« Wachsam sah ich zur Wiese hinüber, aber Aludra war nicht zurückgekehrt. »Kannst du rauskommen?«
    »Ich kann es versuchen.« Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob er eine Hand an den Kopf. »Hat dein Hüter sich schon von dir genährt?«
    »Ich kriege ihn kaum zu Gesicht.« Eine innere Stimme riet mir, den Vorfall im Morgengrauen nicht zu erwähnen.
    »Aludra hat sich gestern von Felix genährt. Als er wieder zu sich kam, hat er die ganze Zeit gezittert. Und trotzdem hat sie ihn zum Training antreten lassen.«
    »Ging es ihm denn so weit gut?«
    »Völlig verstört. Es hat zwei Stunden gedauert, bis er den Æther wieder spüren konnte.«
    »Es ist doch Wahnsinn, einem Seher so etwas anzutun.« Mit einem schnellen Blick über die Schulter hielt ich nach eventuellen Wachen Ausschau. »Ich werde nicht zulassen, dass sie sich von mir nähren.«
    »Dir wird vielleicht gar nichts anderes übrig bleiben.« Er nahm sich eine Laterne, die am Tor hing. »Dein Hüter genießt ja einen ganz speziellen Ruf. Und du hast ihn noch kaum gesehen?«
    »Er geht immer weg.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung.«
    Julian musterte mich ausgiebig. Aus der Nähe erkannte ich, dass er auf beiden Augen über die Zweitsicht verfügte, genau wie Liss. Leute, die sie nur auf einem Auge hatten, konnten die Zweitsicht an- und abschalten, doch Julian war gezwungen, die feinen Energiefäden die ganze Zeit zu sehen.
    »Ich komme zu dir raus«, entschied er. »Meine letzte Mahlzeit war gestern Morgen. Oder Abend? Egal.«
    »Kriegst du denn die Erlaubnis?«
    »Ich werde nachfragen.«
    Er wandte sich ab und verschwand in der Residenz. Da wurde mir klar, dass er dort vielleicht nie mehr rauskommen würde.
    Ich wartete am Rand der Hüttensiedlung auf ihn. Erst als ich kurz davor war aufzugeben, blitzte im Schatten eine weiße Tunika auf. Julian trat aus einer schmalen Tür, eine Hand vors Gesicht gedrückt. Ich winkte ihn heran.
    »Was ist passiert?«
    »Das Unausweichliche.« Seine Stimme klang rau und nasal. »Sie meinte, ich dürfte mir Essen besorgen, aber ich würde nicht in der Lage sein, es zu riechen. Oder zu schmecken.«
    Er ließ die Hand sinken. Entsetzt sog ich die Luft ein. Dunkle Blutstropfen liefen über sein Kinn, unter seinen Augen bildeten sich bunte Blutergüsse. Die Nase war geschwollen und durch die geplatzten Äderchen stark gerötet. »Du brauchst Eis.« Ich zerrte ihn hinter eine Bretterwand. »Komm mit. Die Akrobaten haben bestimmt etwas, um dich zu behandeln.«
    »Es geht schon. Ich glaube nicht, dass etwas gebrochen ist.« Vorsichtig befühlte er seinen Nasenrücken. »Wir müssen uns unterhalten.«
    »Beim Essen.«
    Während ich mit Julian durch die Hüttensiedlung lief, hielt ich überall Ausschau nach einer Waffe. Selbst die primitivste Variante würde schon ausreichen: eine spitze Haarnadel, eine Glasscherbe oder ein scharfes Stück Metall. Aber nichts sprang mir ins Auge. Falls die Akrobaten tatsächlich vollkommen unbewaffnet waren, hatten sie keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, wenn die Emim in die Stadt eindrangen. Die Rephs und die Rotjacken waren ihr einziger Schutz.
    In der Essensbaracke nötigte ich Julian, eine Schale Suppe mit Brot zu essen. Währenddessen tauschte ich bei einem Wahrsager meine letzten Numa gegen ein Päckchen gestohlene Paracetamol. Er wollte mir weder verraten, wem er sie geklaut, noch, wie er das angestellt hatte, sondern verschwand in der Menge, sobald er sich die Nadeln geschnappt hatte. Das musste ein echter Akutomant sein. Ich drängte Julian in eine dunkle Ecke.
    »Nimm die«, befahl ich ihm. »Aber so, dass es niemand sieht.«
    Ohne ein Wort drückte er zwei Tabletten aus der Verpackung und schluckte sie. Inzwischen stöberte ich in einer leeren Hütte etwas Wasser und einen Lumpen auf, mit dem er sich das geronnene Blut aus dem Gesicht wusch.
    »So«, sagte er dann immer noch etwas näselnd. »Was wissen wir über die Emim?«
    »Ich überhaupt nichts.«
    »Also, falls es dich interessiert: Ich habe ungefähr herausgefunden, wie das hier abläuft.«
    »Natürlich

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