The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
den Haaren herbeigezogen. Dabei kann ich mir vorstellen, dass sie sogar recht hat. Menschen sind grausam.
Trotzdem bin ich nicht bereit nachzugeben. »Stellst du dir so etwa dein Leben vor? Willst du dich immer danach richten, was irgendwelchen Typen gefällt und wen sie hübsch finden? Das ist doch erbärmlich.«
Sie lächelt selbstsicher. »Na und? So läuft es aber nun mal. Und wenn hier jemand erbärmlich ist, dann du. Mädchen, die keine Kerle abkriegen, behaupten immer, dass mit den Mädchen,
bei denen die Typen Schlange stehen, irgendwas nicht stimmt. Glaub mir, wenn du ein Mädchen wärst, auf das die Jungs stehen, dann würden wir diese Unterhaltung ganz bestimmt nicht führen.«
»Ach ja?«
»Klar. Ich sage nur Sebastian Kydd.« Sie lacht.
Ich muss mich schwer beherrschen, um nicht auf sie loszugehen und ihr ach so hübsches Gesicht zu zerkratzen.
Aber dann bin ich diejenige, die lacht. »Dich hat er auch sitzen gelassen, schon vergessen? Und zwar meinetwegen.« Ich grinse. »Und wenn ich mich richtig erinnere, hast du mir fast den kompletten Herbst über das Leben zur Hölle gemacht, weil ich mit ihm zusammen war.«
»Sebastian Kydd?« Sie schnaubt abfällig. »Bildest du dir etwa ein, der Typ würde mich interessieren? Ich gebe zu, dass er ganz süß und sexy ist und dass ich was mit ihm hatte. Aber was sollte ich längerfristig von so einem Typen wollen? Ganz ehrlich? Sebastian Kydd ist ein Loser.«
»Und warum hast du mir dann …«
»Ich hatte Lust, dir das Leben zur Hölle zu machen, weil ich dich zum Kotzen finde. Das ist alles.«
Sie findet mich zum Kotzen? »Dann sind wir ja quitt. Ich finde dich nämlich auch zum Kotzen.«
»Und weißt du, warum ich dich zum Kotzen finde? Weil du eine eingebildete Wichtigtuerin bist.«
Wie bitte?
»Wenn du es genau wissen willst«, sagt sie, »hab ich dich schon vom ersten Tag im Kindergarten an nicht ausstehen können. Und da bin ich nicht die Einzige.«
»Kindergarten?«, frage ich erstaunt.
»Du hattest Mary Janes aus rotem Lackleder und bist dir wahnsinnig toll vorgekommen. Du hast dich für was Besseres gehalten, bloß weil du rote Schuhe hattest und die anderen nicht.«
Okay. Ich kann mich an diese Schuhe sogar erinnern. Meine Mutter hat sie mir zu meinem ersten Kindergartentag geschenkt, und ich fand sie so schön, dass ich sie nie mehr ausziehen wollte. Am liebsten hätte ich auch noch darin geschlafen. Aber – Herrgott – es waren bloß Schuhe. Wer hätte gedacht, dass Schuhe solchen Neid auslösen können?
»Du hasst mich wegen irgendwelcher blöden Schuhe, die ich mit vier angehabt habe?«, frage ich ungläubig.
»Es waren nicht nur die Schuhe«, kontert sie. »Es war deine ganze Art. Du und deine perfekte kleine Familie. Die Bradshaw-Mädchen«, sagt sie höhnisch. »Sind sie nicht süß? Und so brav.«
Wenn sie wüsste.
Ich fühle mich plötzlich völlig ausgelaugt. Warum tun Mädchen so was? Jahrelang diesen Groll gegeneinander hegen. Ist das bei Jungs genauso?
Und dann muss ich an Lali denken und mir schaudert.
Donna LaDonna wirft mir einen letzten triumphierenden Blick zu, dann dreht sie sich um und geht wieder ins Bibliotheksgebäude.
Ich bleibe stehen und frage mich, was ich tun soll. Nach Hause gehen? Aber wenn ich jetzt abhaue, hat Donna gewonnen. Sie wird den Fotokurs als ihr Hoheitsgebiet betrachten, aus dem sie mich vertrieben hat.
Diesen Sieg werde ich ihr nicht gönnen. Selbst wenn das bedeutet, dass ich sie von jetzt an jede Woche eine Stunde lang am Hals habe.
Außerdem: Kann mein Leben überhaupt noch schlimmer werden?
Ich ziehe die schwere Tür auf, stapfe die Treppe hoch und nehme wieder neben ihr Platz.
Und während Todd Upsky die nächste halbe Stunde über Blenden und Verschlusszeiten doziert, sitzen wir schweigend nebeneinander und geben uns die allergrößte Mühe, so zu tun, als würde die jeweils andere nicht existieren.
Genau wie Lali und ich.
Tante Bunny
»Das ist doch der perfekte Stoffür eine Kurzgeschichte«, sagt George. »Warum machst du da nicht was draus?«
»Vergiss es.« Ich breche die dünne Spitze eines Zweigs ab und zerreibe die trockene weiche Rinde zwischen den Fingerkuppen.
»Warum nicht?«
»Darum«, antworte ich, ohne ihn anzusehen, und gehe zügig voraus.
Der Waldweg führt ziemlich steil nach oben, und ich höre, wie George hinter mir ins Schnaufen kommt. Nachdem ich mich am Stamm eines jungen Baums einen felsigen Hang hinaufgezogen habe, bleibe ich stehen und drehe
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